03. Mai 2010

Im Druck

"Geschichte Kleinasiens in der Antike" von Christian Marek

Alles, was man schon immer über die Hethiter, Urartäer, Lykier, Karer, Phryger, Lyder und viele andere wissen wollte, erfährt man in diesem 900-Seiten-Buch,"Geschichte Kleinasiens in der Antike" von Christian Marek.

Kleinasien war in der Antike die Urheimat vieler Völker: Hethiter, Urartäer, Lykier, Karer, Phryger und andere stammten (vermutlich) von hier. Die Assyrer, Ägypter, Römer prägten das Gebiet. Was hier einst stattfand, hatte Auswirkungen zum Teil bis heute. Hier wurde das Geld erfunden (von den Lydern), hier missionierte der Apostel Paulus, und von hier kamen die Hethiter, ein indoeuropäisches Volk, durch das wir Aufschluss über unsere indoeuropäischen Wurzeln gewinnen können. Dennoch ist der geografisch-historische Raum Kleinasien in bisherigen Veröffentlichungen eher vernachlässigt worden. Die schillernden Hochkulturen der Sumerer, Assyrer und Ägypter haben schon immer mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen können. Das Buch "Geschichte Kleinasiens in der Antike" schließt hier eine Lücke zumindest im deutschsprachigen Bereich. Der Althistoriker Christian Marek von der Universität Zürich und sein Amtsvorgänger Peter Frei haben systematisch und erschöpfend alles zusammengetragen, was es über diese Völker Kleinasiens und ihre Kontakte zu anderen Völkern der damals bekannten Welt zu wissen gibt. Das Buch wendet sich sowohl an Wissenschaftler, die es als Überblickswerk nutzen können, als auch an interessierte Laien, die endlich einmal wissen wollen, wie diese Völker miteinander in Verbindung standen und welche von ihnen im gleichen Zeitraum ihre große Blüte hatten. Dadurch, dass die Autoren auch Anekdotisches, das von den antiken Geschichtsschreibern überliefert wurde, nicht aussparen, sondern - mit der gebotenen Distanz - immer wieder einflechten, entsteht ein lebendiges Bild dieser untergegangenen Kulturen und ihrer Herrscher. Sprachlich ist das Buch gut zu lesen, es setzt jedoch die Kenntnis eines gewissen Grundvokabulars voraus. Von Linear-B sollte man schon mal etwas gehört haben und bei philologischen Termini wie "Scholion" darf man auch nicht zusammenzucken. Manches Unbekannte wird an späterer Stelle im Buch - wo es thematisch besser in den Zusammenhang passt - erklärt, anderes muss man gegebenenfalls in einem Fachwörterbuch für die Antike nachschlagen. Insgesamt aber ist der Spagat zwischen Fachsprache und allgemeinverständlicher Schriftsprache gut gelungen. Das Buch bietet im Anhang ein sehr detailliertes Sach- und Personenregister, ausführliche Herrscherlisten sowie eine Zeittafel, in der die wichtigsten Ereignisse und Entwicklungen vom Neolithikum bis zum dritten Jahrhundert nach Christus aufgeführt sind. Mit dieser Ausführlichkeit im Textteil, der insgesamt guten Lesbarkeit und der umfangreichen Daten-Ausstattung im Anhang hat das Buch alle Chancen, für künftige Generationen zum Standardwerk über Kleinasien in der Antike zu werden. Vor diesem Hintergrund fallen einige editorische Sünden doch mehr ins Gewicht, als sie es bei einem weniger umfassenden Buch täten: Die Anmerkungen zu den Fußnoten im Text befinden sich geschlossen im Anhang. Das kann man so machen; Fußnoten direkt unter einem Text können ja auch abschrecken. Ärgerlich ist jedoch der Umstand, dass die Fußnoten von Kapitel zu Kapitel mit neuer Zählung beginnen. Wer etwas nachschlagen will, muss sich die Kapitelnummer merken, in der er sich beim Lesen gerade befindet. Dann muss er dieses Kapitel im Anmerkungsteil suchen und schließlich zur fraglichen Fußnote gehen. Bei einem 900-Seiten-Wälzer ist das alles andere als komfortabel. Noch ärgerlicher ist die Gestaltung der Bibliografie: Auf die Sekundärliteratur wird im Text mit Hilfe fortlaufender Nummern verwiesen. Das ist im Prinzip kein unübliches Verfahren. Nun ist aber die Bibliografie selbst noch einmal nach thematischen Blöcken geordnet. Und innerhalb dieser thematischen Blöcke werden die Autoren nicht alphabetisch aufgeführt, sondern nach Erscheinungsjahr. Das Erscheinungsjahr des jeweiligen wissenschaftlichen Werkes steht aber nicht am Zeilenanfang, wie man es bei so einem Verfahren vermuten würde, sondern am Ende einer bibliografischen Angabe. Bei dieser Zitiertechnik ist es zwar möglich, vom Text aus einigermaßen schnell zu einer bibliografischen Angabe zu kommen. Doch wer gezielt nach einem wissenschaftlichen Werk oder einem wissenschaftlichen Autor innerhalb der Bibliografie sucht, muss schon wissen, wann dieses Werk veröffentlicht wurde. Und er muss erahnen können, unter welchem Themengebiet es im Zweifelsfall aufgeführt wurde. Die Bibliografie ist unabhängig vom Text nur eingeschränkt benutzbar - was besonders bei einem solchen Werk schade ist. Und noch ein kleineres Ärgernis am Rande: Warum entschließt sich ein Verlag, im Jahre 2010 ein Buch, das sich - auch in der Widmung des (Haupt-)Autors an seinen Sohn - an die junge Generation wendet, in alter Rechtschreibung zu veröffentlichen? Die genannten editorischen Sünden könnten bei einer in einigen Jahren anstehenden Neuauflage beseitigt werden. Sie schmälern daher nicht das Verdienst, für den deutschen Sprachraum das Wissen über das antike Kleinasien zusammengetragen zu haben. (wsa100427dm1)
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