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Wie Macht unser Wissen bestimmt - Einführung zu Michel Foucault

Von Doris Marszk


Die neueren französischen Philosophen sind hierzulande meist nur Teilnehmern philosophischer Oberseminare bekannt. Denn Denker wie Jacques Derrida, Jean-François Lyotard oder Michel Foucault liefern wichtige Impulse für die Hinterfragung unserer Wissensstrukturen. Besonders Michel Foucault (1926-1984) ist ein auch für Nicht-Philosophen wichtiger Autor, dessen Kernthema das Verhältnis von Macht und Wissen war.  Foucault hat durch konkrete Eigenerfahrungen und durch das Zusammentragen längst vergessener Verwaltungsvorgänge, Gutachten, wissenschaftlicher Korrespondenzen und Auseinandersetzungen von der Frühen Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert gezeigt, dass Wissen niemals neutral ist. Was richtig und was falsch ist, was eine richtige und was eine falsche Methode ist und was gesund und krank ist, wird bestimmt durch die Strukturen der Gesellschaft. Diese Strukturen der Gesellschaft machen die Macht aus, die es zulässt oder nicht zulässt, dass bestimmte Gedanken und Ideen aufkommen und sich verbreiten.  Der UTB-Verlag legt nun in seiner neuen Reihe "UTB Profile" einen Band zu Michel Foucault und seinem Denken vor, der - wie alle Bände dieser Reihe - als eine Einführung in die Thematik konzipiert ist und mit weiterführender Literatur und Register ausgestattet ist. Der vorliegende Band hat außerdem noch ein kleines Glossar zu den wichtigsten Begriffen des Foucaultschen Denkens.

Der schmale Band, von Reiner Ruffing verfasst, behandelt zusammenfassend und erläuternd die wichtigsten Werke des französischen Philosophen wie "Wahnsinn und Gesellschaft", "Die Geburt der Klinik" und die "Die Ordnung der Dinge". Ruffing spart aber auch die Person Foucault nicht völlig aus (obwohl Foucault, der seine private Existenz in keiner Weise in die Öffentlichkeit getragen hat, dies wohl am liebsten gewesen wäre). Foucault gehört zu jenen Philosophen, die sich konkreten Erfahrungen auch mit dem gesellschaftlichen Rand nicht verschlossen haben. Im Gegenteil: Da Foucault neben der Philosophie auch Psychologie studiert hatte und als Psychologie-Student auch Praktika in staatlichen Institutionen und sozialen Einrichtungen ableisten musste, kam er in Kontakt zu Gefängnisinsassen und zu Patienten psychiatrischer Anstalten. "Dabei schien er sich mehr mit seinen Patienten als mit dem Pflegepersonal und den Klinikärzten identifiziert zu haben", schreibt Ruffing. Hinzu kam, dass Foucault sich durch seine Homosexualität, die in jener Zeit noch nicht so offen gelebt werden konnte wie heute, möglicherweise als nicht zugehörig oder als andersartig empfunden hatte. Auch seine zwei Suizid-Versuche könnten darauf zurückzuführen sein.

In Werke wie "Wahnsinn und Gesellschaft" oder "Die Geburt der Klinik" sind also auch sehr konkrete Erfahrungen eingeflossen. Dadurch verkommt  bei Foucault die Frage "Wer ist eigentlich verrückt?" nicht zur bloßen Attitüde. Foucault hat an konkreten Beispielen nachverfolgt, wie sich durch die Jahrhunderte das Verhältnis der "Wahnsinnigen", der Narren, der "Geisteskranken" zu den angeblich Normalen entwickelt hat. Dass Foucault im Detail von Historikern widerlegt wurde - so zum Beispiel seine These, dass im Mittelalter und der Renaissance die "Irren" noch in die Gesellschaft integriert gewesen seien - tut dem Gesamtansatz des Foucaultschen Denkens keinen Abbruch. Allein dem Gedanken nachzugehen, dass unser Wissen und unsere vermeintlichen Wahrheiten nur innerhalb bestehender Denkstrukturen, die sich wiederum ungreifbar in verschiedensten Handlungen auf der Mikroebene manifestieren, entstehen und sich entwickeln konnten, macht die Lektüre von Foucault empfehlenswert. Reiner Ruffing versteht es, dem Leser des Bandes  "Michel Foucault" Lust zu machen, sich auf diesen ungewöhnlichen französischen Denker einzulassen. Die neue Reihe "UTB Profile" wendet sich zwar ganz klar an Studierende und interessierte Wissenschaftler, ihre Bände sind jedoch so angenehm handlich und schmal, dass sie auch für Leser außerhalb der Universität eine informative und lohnende Lektüre darstellen. Für diesen Band bietet der UTB-Verlag auf seiner Webseite übrigens eine Hörprobe unter http://www.utb-stuttgart.com/Profile/Ruffing_Leseprobe.mp3 an. Gelesen wird das kleine Kapitel "Die Geburt der Klinik", in dem ausgeführt wird, wie Foucault die Veränderung unseres Verständnisses vom Tod sieht.


Bibliografischer Hinweis: Reiner Ruffing: "Michel Foucault , Paderborn 2008 (UTB 3000; UTB Profile), ISBN 978-3-8252-3000-5,   9,90 Euro

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