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Monika Niehaus und Andrea Pfuhl: Die Psycho-Trojaner – Wie Parasiten uns steuern
Gibt es Parasiten, die Stimmung und Verhalten des Menschen manipulieren und psychische Erkrankungen auslösen können? Das ist die Frage, um die es im Buch „Die Psycho-Trojaner“ von Monika Niehaus und Andrea Pfuhl im Wesentlichen geht. Der Begriff „Parasit“ wird dabei in einem weiteren Sinn genutzt und umfasst nicht nur Protozoen, Würmer und Arthropoden, sondern auch die Krankheitserreger unter den Viren und Bakterien. Es ist schon eine unheimliche Vorstellung, dass möglicherweise Erreger von Infektionen bestimmte Hirnfunktionen beeinflussen und damit Wesensmerkmale eines Menschen verändern könnten. Im Tierreich ist die Existenz solcher „Psychoparasiten“ längst erwiesen – Organismen, die das Verhalten ihres Wirtes so steuern, dass ihre weitere Verbreitung gesichert ist. Doch lässt sich die Zwangsstörung, Depression oder Schizophrenie eines Patienten tatsächlich auf einen Parasitenbefall zurückführen und entsprechend behandeln? Nach Angaben der Autorinnen stehen mehr als ein Dutzend Erregerarten im Verdacht, psychische Störungen zu verursachen.
<p> Dem eigentlichen, im Titel genannten Thema des Buches nähern sich Monika Niehaus und Andrea Pfuhl ganz allmählich und auf allerlei Umwegen. Im ersten Teil geht es zunächst um Läuse und Fleckfieber, Flöhe und die Pest sowie um unterschiedliche Arten parasitischer Würmer. Die Kapitel betonen die weltweite Bedeutung, die diesen klassischen Parasiten auch heute noch zukommt. Das Beispiel der Syphilis macht deutlich, wie ein Bakterium nach jahrelanger Infektion in das Gehirn eindringen und Halluzinationen erzeugen kann. Von den Bornaviren ist bekannt, dass sie bei Pferden die mit Lethargie verbundene Bornakrankheit auslösen. Die Erreger gelangen durch Tröpfcheninfektion durch die Nase über den Riechnerv ins Gehirn. Bei Patienten mit psychischen Erkrankungen wurde eine Infektion mit solchen Viren viel häufiger nachgewiesen als bei Gesunden. Aber noch ist nicht gesichert, ob Bornaviren eine Ursache von Depressionen sein können.
<p> Unzweifelhaft erwiesen sind dagegen Verhaltensänderungen, die das Tollwutvirus bei Tieren und Menschen auslöst. Nachdem die Erreger über das Rückenmark in das Gehirn eingedrungen sind, verlieren infizierte Tiere ihre Scheu, zeigen eine erhöhte Aggressivität und einen verstärkten Sexualtrieb. So werden noch vor dem tödlichen Ende des Krankheitsverlaufs die Viren durch Kopulationen und Beißattacken auf möglichst viele neue Wirte übertragen. In einem zwischengeschalteten Kapitel erfahren Star-Trek-Fans, was Dr. McCoy und die Besatzung des Raumschiffs Enterprise mit intergalaktischen Psychoparasiten erlebt haben. Dass fremde Lebensformen in unsere Körper eindringen und die Kontrolle über das Gehirn übernehmen, ist schließlich auch ein gängiges Thema der Science Fiction.
<p> Doch das Beste kommt zum Schluss: Im letzten Kapitel geht es um Toxoplasma gondii. Der einzellige Parasit, ein Verwandter des Malariaerregers, vermehrt sich im Darm von Katzen. Mit dem Kot ausgeschiedene Zysten werden über Insekten und Würmer auf Ratten und Mäuse, durch direkten Kontakt auch auf den Menschen übertragen. Antikörpertests zeigen, dass jeder zweite Deutsche bereits Kontakt mit diesem Parasiten hatte, der sich nach oft unbemerkt verlaufener Infektion in Form inaktiver Zysten dauerhaft in verschiedenen Geweben einnisten kann. Infizierte Mäuse verlieren ihre Angst vor Katzen und empfinden den zuvor abschreckenden Geruch von Katzenurin plötzlich als verlockend, so dass sie schnell zur Beute des Endwirts werden. Es wird ernsthaft diskutiert, ob vor Urzeiten, als Affen und frühe Menschen großen Raubkatzen als Beute dienten, die Toxoplasmen auch das Verhalten der Primaten zugunsten der Katzen beeinflusst haben. Experimente mit Schimpansen und Leopardenurin lassen darauf schließen. Auch im Hirn des Menschen bewirkt eine Toxoplasmen-Infektion offenbar, dass sich der Spiegel an Neurotransmittern verändert – und zwar auf ähnliche Weise wie bei bestimmten psychischen Störungen. So besteht ein statistischer Zusammenhang zwischen einer Toxoplasmen-Infektion und einem erhöhten Risiko, an Schizophrenie zu erkranken. Vielleicht sind die inaktiven Zysten doch nicht so inaktiv wie gedacht.
<p> Und wie gelangen Toxoplasmen ins Gehirn? In einem trojanischen Pferd in Gestalt eines weißen Blutkörperchens, das ungehindert die Blut-Hirn-Schranke überwindet – womit wir endlich auch beim Buchtitel angelangt wären. Das Buch ist eine durchweg verständlich geschriebene, sachkundige, mit zahlreichen historischen Rückblicken und Hintergründen ausgestattete Lektüre über Parasiten des Menschen und über deren möglichen Einfluss auf die Psyche. Ob aus den zahlreichen Indizien Beweise werden, müssen weitere Forschungen zeigen. Erst dann werden sich auch die Psychiater damit abfinden, dass einige psychische Störungen mit Antibiotika zu behandeln sind.
Die Psycho-Trojaner - Wie Parasiten uns steuern
von Monika Niehaus und Andrea Pfuhl
Hirzel Verlag, 2016, Kartoniert, 238 Seiten
ISBN 978-3-7776-2622-2
24,90 €