Im Druck
Der Kuss des Schnabeltiers

und 60 weitere irrwitzige Geschichten aus Natur und Wissenschaft
Lustige Tiergeschichten sucht man in diesem Buch vergebens.
Titel und Umschlagbild könnten da leicht falsche Erwartungen wecken. So geht es
im Beitrag über das Schnabeltier zwar um das ungewöhnliche Sexualleben des Eier
legenden Säugetiers, das über zehn Geschlechtschromosomen und zahlreiche
Pheromone verfügt. Der Schwerpunkt liegt aber auch hier, wie in den meisten
Beiträgen, auf der molekularen Ebene. Menschen, Tiere, Pflanzen oder Bakterien
spielen nur selten die Hauptrolle.
Als ehemals in der Forschung tätiger Biochemiker schreibt
Michael Groß am liebsten über Proteine, Nukleinsäuren, Stoffwechselreaktionen
und Nanotechnik. Er greift Forschungsergebnisse auf, die oft wenig bekannt,
doch dafür umso erstaunlicher sind. 61 seiner Lieblingsgeschichten aus 15-jähriger
journalistischer Tätigkeit hat er in diesem Buch zusammengestellt, unterteilt
in die drei Kapitel "Crazy!", "Sexy!" und
"Cool!". Dabei enthält das Kapitel "Cool!" nicht nur
Geschichten über Kälterezeptoren oder Kälteschockproteine, sondern auch über
absolut coole Entwicklungen wie elektronisches Papier, mit Nanodraht verkabelte
Nervenzellen oder die Herstellung bärenstarker Spinnenseide.
Ein gewisses Maß an naturwissenschaftlichem – hauptsächlich
biochemischem – Grundwissen sollte der Leser allerdings schon mitbringen.
Formulierungen wie "Diese Indolphenolgruppe trägt zur Koordination eines
Zinkions bei" sind aber eher die Ausnahme. Die meisten Texte sind
allgemeinverständlich und gut lesbar, auch wenn es um so Sonderbares wie Proteine
geht, die verknotet, extrem stabil, selbstspleißend, blau oder süß (schmeckend)
sind. Unterschiedliche Aspekte der DNA sind ein weiteres, häufig
wiederkehrendes Thema. Da geht es um Genomvergleiche zwischen Neandertaler,
Mensch und Schimpanse oder Tiefseebakterien und Durchfallerregern, über
Sequenzierungsmethoden, genomische Prägung und Genaustausch zwischen Bakterien.
Und man erfährt, was Nanotechnologen mit der DNA alles anstellen: So handelt
ein Beitrag von speziell konstruierten DNA-Molekülen, die, als Sensoren
eingesetzt, Genaktivitäten messen oder Mutationen erkennen und dabei die
elektrische Leitfähigkeit der Doppelhelix ausnutzen.
Die jeweils zwei- bis siebenseitigen Texte beruhen oft auf
Originalartikeln aus "Science" oder "Nature", die am Ende
des Beitrags zitiert sind. Unter der Überschrift "Was danach geschah"
bringt ein teils knapper, teils mehrseitiger Anhang das Thema auf den neuesten
Stand.
Eine unterhaltsame, abwechslungsreiche und nicht ganz
anspruchslose Lektüre für naturwissenschaftlich interessierte Leser.
Michael Groß: Der Kuss des Schnabeltiers, Wiley-VCH Verlag, Weinheim, 2009, 273 S., ISBN 978-3-527-32490-3, 24,90 Euro