Genetisches Merkmal begünstigt Übergewicht

Je geringer im Erbgut die Zahl von Genen für das stärkespaltende Speichelenzym Amylase ist, umso höher ist das Risiko für Fettleibigkeit
Molekülmodell der menschlichen Speichel-Amylase
Molekülmodell der menschlichen Speichel-Amylase
© Protein Data Bank (PDB), http://www.rcsb.org/pdb/explore/explore.do?pdbId=1SMD / gemeinfrei
London (Großbritannien) - Unabhängig von der Ernährung haben auch die Gene einen großen Einfluss auf das Körpergewicht. Das bestätigen jetzt die Ergebnisse einer von britischen Forschern geleiteten internationalen Studie. Demnach besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Zahl von Genen eines bestimmten Verdauungsenzyms und dem Risiko, an Fettleibigkeit zu erkranken. Menschen mit mehreren Exemplaren des Gens für das stärkeabbauende Speichelenzym Amylase sind mit geringerer Wahrscheinlichkeit übergewichtig als diejenigen mit nur zwei dieser Gene, schreiben die Wissenschaftler im Fachjournal „Nature Genetics”. Mit einer höheren Zahl an Amylase-Genen steigt auch die Produktion des Enzyms im Körper. Ob eine Behandlung genetisch vorbelasteter Menschen mit Enzympräparaten eine übermäßige Gewichtszunahme verhindern oder rückgängig machen kann, müssen weitere Untersuchungen aber erst noch zeigen.

„In Zukunft könnte ein einfacher Blut- oder Speicheltest dazu dienen, die Menge an Enzymen wie Amylase im Körper zu messen“, sagt Timothy Spector vom King’s College London, einer der leitenden Forscher der Studie. Diese Messwerte wären sinnvoll, um sowohl Über- als auch Untergewichtige bei ihrer Ernährung besser zu beraten. Die genetischen Analysen hätten gezeigt, dass verschiedene Menschen ihre Nahrung ganz unterschiedlich verdauen und verwerten. Daher könne es auch keine Ernährungsempfehlungen geben, die für alle gleichermaßen richtig sind.

In ihrer Ausgangsstudie analysierten die Forscher das Erbgut von Menschen mit bekanntem Body-Mass-Index (BMI) aus 149 schwedischen Familien. Von besonderem Interesse war die Zahl der Amylase-Gene bei den einzelnen Probanden. Jeder Mensch hat in der Regel mindestens zwei Exemplare eines bestimmten Gens – eines vom Vater und eines von der Mutter. Manche Gene können aber auch in höherer Kopienzahl im Erbgut vorkommen. Das Gen AMY1 trägt die Bauanleitung für die im Speichel enthaltene Amylase. Das Enzym leitet bereits beim Kauen kohlenhydrathaltiger Speisen die Verdauung ein, indem es aus Stärke oder Glykogen Zuckermoleküle abspaltet. Das Gen AMY2 kodiert für eine zweite Form der Amylase, die von der Bauchspeicheldrüse in den Darm abgegeben wird und dort den Abbau von Kohlenhydraten fortsetzt.

Es stellte sich heraus, dass es zwischen der AMY2-Genzahl und dem Körpergewicht keinen Zusammenhang gab. Dagegen hatten Menschen mit mehr als neun Exemplaren des AMY1-Gens ein bis zu achtfach geringeres Fettleibigkeitsrisiko als jene mit weniger als vier Genkopien. Insgesamt schwankte die AMY1-Genzahl zwischen 2 und 14. Je größer die Zahl, desto mehr Speichelenzym wurde auch produziert. Mit sinkender Genzahl stiegen BMI und Fettanteil der Körpermasse. Diese statistischen Zusammenhänge bestätigten die Wissenschaftler durch weitere Erbgutanalysen bei mehr als 6000 Menschen. Warum eine schwächere Aktivität der Speichel-Amylase eine derart starke Auswirkung auf das Körpergewicht hat, bleibt vorerst ungeklärt.

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