Wie junges Blut das Gehirn verjüngt

Das altersbedingte Nachlassen kognitiver Fähigkeiten könnte auf einem Mangel an bestimmten Proteinen im Blutplasma beruhen
Bestandteile des Blutes junger Mäuse (links, 15 Tage alt) können nachlassende Hirnfunktionen alter Mäuse (rechts, 15 Monate alt) reaktivieren.
Bestandteile des Blutes junger Mäuse (links, 15 Tage alt) können nachlassende Hirnfunktionen alter Mäuse (rechts, 15 Monate alt) reaktivieren.
© Kathlyn J. Gan
Stanford (USA) - Mit zunehmendem Alter verschlechtern sich Gedächtnisleistungen sowie andere kognitive Fähigkeiten und die Anfälligkeit für neurodegenerative Erkrankungen steigt. Als mögliche Ursachen galten zunächst verstärkte Entzündungsreaktionen im Gehirn, verringerte Neubildung von Neuronen oder ein allmähliches Nachlassen von Funktionen der Hirnzellen. Doch dann zeigten Versuche mit Mäusen, dass das Blut junger Tiere Substanzen enthalten muss, die diesen Alterungsprozess verhindern und sogar rückgängig machen können. Jetzt haben amerikanische Forscher zwei Proteine im Blut junger Mäuse entdeckt, die direkt auf kultivierte menschliche Neuronen einwirken: Die Proteine regten die Bildung neuer Synapsen an und verbesserten die Signalübertragung. Daraus können sich neue Behandlungsansätze ergeben, um eine altersbedingte Degeneration von Hirnzellen zu verhindern oder geschädigte Neuronen zu reaktivieren, berichten die Wissenschaftler in den „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“.

„Die Alterung des Gehirns könnte auf einem Mangel an bestimmten Faktoren im Blut beruhen“, schreiben Kathlyn Gan und Thomas Südhof von der Stanford University. Ob diese Substanzen direkt auf Hirnzellen einwirken oder den Verjüngungseffekt auf indirektem Weg erzielen, blieb bisher ungeklärt. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Blut junger Mäuse Faktoren enthält, die direkt die synaptische Signalübertragung zwischen Neuronen verstärken.“ Erste Hinweise auf die Existenz solcher Inhaltsstoffe des Blutplasmas hatten Parabiose-Experimente anderer Forscher ergeben. Dabei wird der Blutkreislauf einer alten Maus mit dem einer jungen verbunden, so dass „junges Blut“ durch den Körper des alten Tieres fließt. Dadurch verbesserten sich Lernfähigkeit und Gedächtnisleistung der alten Maus.

Gan und Südhof untersuchten nun, welche Wirkung Blutplasma junger Mäuse auf Zellkulturen menschlicher Neuronen hat, die aus embryonalen Stammzellen angezüchtet worden waren. Das Plasma 15 Tage alter Mäuse verstärkte die Verzweigung der Zellfortsätze (Dendriten), erhöhte die Zahl der Synapsen und verbesserte deren Funktion. Plasma von 15 Monate alten Mäusen hatte diesen Effekt nicht. Wie weitere Experimente ergaben, waren die Ergebnisse nicht auf hemmende Faktoren in „altem Blut“, sondern auf aktivierende Faktoren in „jungem Blut“ zurückzuführen. Mit Hilfe der Massenspektrometrie identifizierten die Forscher zwei Proteine (Thrombospondin-4 und SPARCL1), die im Blut junger Mäuse in vierfach beziehungsweise zweifach höherer Konzentration vorhanden waren als im Blut alter Mäuse. Biotechnologisch hergestellte Versionen dieser Proteine hatten auf kultivierte Neuronen eine ähnliche Wirkung wie das Plasma.

Die Wissenschaftler vermuten, dass „junges Blut“ möglicherweise noch weitere Faktoren enthält, die Synapsen aktivieren. Der Verlust dieser Substanzen mit dem Älterwerden könnte wesentlich zum Nachlassen der Denkleistung beitragen. Jetzt sollen Tierversuche prüfen, ob die mit Zellkulturen erzielten Ergebnisse auch im lebenden Organismus zu beobachten sind. Voraussetzung dafür wäre, dass die beiden Proteine die Blut-Hirn-Schranke überwinden und ins Gehirn eindringen können.

© Wissenschaft aktuell


 

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