Alzheimer: Bluttest sagt Krankheitsverlauf voraus

Nachweis eines Proteins aus zerstörten Hirnzellen im Blut ermöglicht Bewertung neuer Therapien schon im Frühstadium der Demenz
Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form der Demenz.
Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form der Demenz.
© Tumisu / pixabay.com, CC0 1.0 Universell (CC0 1.0), https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de
Tübingen - Wenn erste Symptome der Alzheimer-Demenz auftreten, ist die Hirnschädigung schon so weit fortgeschritten, dass eine Therapie wahrscheinlich kaum noch wirksam wäre. Mit einem neuen Bluttest konnte ein internationales Forscherteam unter deutscher Leitung jetzt bereits das Frühstadium einer Erkrankung nachweisen und den weiteren Verlauf voraussagen. Der Test misst die Konzentration eines Proteins, das beim Absterben von Hirnzellen freigesetzt wird und ins Blut gelangt. Das Verfahren sei einfacher und kostengünstiger als Hirnscans oder die Analyse von Liquor, schreiben die Wissenschaftler im Fachjournal „Nature Medicine“. Der Bluttest soll nicht zur Diagnose genutzt werden, sondern als Hilfsmittel, um die Wirksamkeit früh eingesetzter experimenteller Therapien zu beurteilen.

„Unser Bluttest weist nicht das Amyloid selbst nach, sondern dessen Wirkung im Gehirn: die Neurodegeneration, also das Absterben von Neuronen“, sagt Mathias Jucker vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Tübingen. Proteine aus zerstörten Hirnzellen gelangen auch in das Blut und werden dort meist schnell abgebaut. Doch eines dieser Proteine, ein sogenanntes Neurofilament (NfL), ist vergleichsweise stabil und daher als Biomarker geeignet. Nicht dessen Konzentration, sondern die Rate der Konzentrationszunahme im Lauf der Zeit lieferte bei Alzheimer-Patienten Hinweise auf die weitere Entwicklung der Krankheit. „Wir konnten den Verlust von Hirnmasse und kognitive Veränderungen vorhersagen, die erst zwei Jahre später erfolgten“, sagt Jucker. Die Messung von Beta-Amyloid-Ablagerungen, ein typisches Merkmal der Demenz, ermöglichte dagegen keine vergleichbar zuverlässigen Aussagen.

An der Studie beteiligten sich Menschen mit einer Veranlagung zu familiärer Alzheimer-Demenz und deren nicht davon betroffenen Angehörigen. Diese seltene Form der Erkrankung beruht auf der Mutation bestimmter Gene, die auf einen Ausbruch der Krankheit hinweisen. Im Gegensatz zur häufigeren sporadischen Alzheimer-Demenz treten die Symptome meist schon im mittleren Alter auf. Die Forscher nutzten Daten aus Blutproben, MRT-Hirnscans und kognitiven Tests von 243 genetisch vorbelasteten und 162 nicht betroffenen Personen. Bei den genetisch gesunden Menschen blieb die Konzentration des Neurofilaments NfL im Blut gering und veränderte sich mit der Zeit kaum.

Bei den anderen war der NfL-Blutwert schon vor dem Auftreten der ersten Krankheitssymptome erhöht und stieg mit den Jahren weiter an. Dieser Unterschied zwischen genetisch Betroffenen und Nicht-Betroffenen war bereits 16 Jahre vor den ersten Anzeichen einer Demenz erkennbar. Je schneller der NfL-Wert zunahm, desto stärker schrumpfte eine im Hirnscan sichtbare, für Gedächtnisfunktionen zuständige Region der Großhirnrinde. Ein deutlicher Anstieg des NfL-Gehalts im Blut innerhalb von zwei Jahren war zudem mit nachlassenden kognitiven Leistungen verbunden. Solche Messungen über einen längeren Zeitraum seien eine zuverlässige, kostengünstige und schnelle Methode zum Nachweis einer Neurodegeneration im Gehirn, so die Autoren.

„Es wäre nun wichtig, diese Ergebnisse für Patienten mit der häufigeren Form der Alzheimer-Demenz zu bestätigen“, sagt Jucker. Vor einem routinemäßigen Einsatz seien zunächst weitere Voruntersuchungen nötig. Das Verfahren könnte aber schon in wenigen Jahren zur Verfügung stehen, um Hirnschäden frühzeitig zu erkennen. Dabei ist zu beachten, dass sich die Neurofilamente nicht nur bei Alzheimer im Blut nachweisen lassen, sondern auch bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen wie Multipler Sklerose und Huntington sowie bei schweren Schädelverletzungen. Daher eignet sich der Bluttest nicht für eine Alzheimer-Diagnose. Er wäre vielmehr ein wertvolles Hilfsmittel, um die Wirksamkeit neuer Therapien schon im Frühstadium der Krankheit in klinischen Studien überprüfen zu können.

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