Alzheimer: Verstärkte Hinweise auf Virusinfektion

Eine Infektion von Hirnzellen durch Humane Herpesviren könnte an der Entwicklung der Alzheimer-Demenz beteiligt sein – endgültiger Beweis steht aber immer noch aus
Eine Infektion durch Humane Herpesviren vom Typ 6 oder 7 könnte Reaktionen im Gehirn auslösen, die zu Symptomen der Alzheimer-Krankheit führen.
Eine Infektion durch Humane Herpesviren vom Typ 6 oder 7 könnte Reaktionen im Gehirn auslösen, die zu Symptomen der Alzheimer-Krankheit führen.
© Readhead et al.
New York (USA) - Eine Virusinfektion von Hirnzellen könnte eine Ursache für die Entstehung oder das Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit sein. Diese alte Hypothese wird von den Ergebnissen einer neuen und ungewöhnlich vielschichtigen Großstudie zwar nicht endgültig bewiesen, aber sehr stark untermauert. Im Gehirn verstorbener Alzheimer-Patienten fanden amerikanische Forscher häufiger zwei Typen Humaner Herpesviren (HHV) als bei nicht erkrankten Personen. Zusätzlich ergab sich ein enger Zusammenhang zwischen der Infektion und der Aktivität menschlicher Gene, die bei der Krankheitsentwicklung eine Rolle spielen. Die typischen Ablagerungen im Gehirn könnten eine Reaktion des Immunsystems sein, mit der eine Vermehrung der Viren verhindert werden soll, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Neuron“. Dass die Virusinfektion nicht Ursache, sondern lediglich Folge der Hirnerkrankung ist, sei aufgrund ihrer Resultate eher unwahrscheinlich.

„Ich denke nicht, dass wir jetzt schon die Frage beantworten können, ob Herpesviren eine primäre Ursache der Alzheimer-Krankheit sind“, sagt Joel Dudley von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York. „Aber es ist klar, dass sie in biochemische Regulationsnetzwerke eingreifen, die der Entwicklung der Demenz zugrunde liegen.“ In Zusammenarbeit mit mehreren anderen Abteilungen und Instituten untersuchte Dudleys Forscherteam Hirngewebe von 622 verstorbenen Menschen mit neurodegenerativen Veränderungen, die auf eine Alzheimer-Demenz hinwiesen. Einige dieser Menschen hatten bereits typische Krankheitssymptome entwickelt, bei anderen war die Hirnleistung bis zum Tod noch nicht krankheitsbedingt beeinträchtigt. Als Kontrolle dienten 322 Proben von Gehirnen, die keinerlei Anzeichen einer Demenzerkrankung zeigten. Durch DNA-Analysen des gesamten Erbguts identifizierten die Wissenschaftler bekannte Gene, die mit der Alzheimer-Krankheit in Verbindung stehen. RNA-Analysen lieferten Hinweise auf unterschiedliche Genaktivitäten im Anfangs- und Endstadium der Krankheit im Vergleich zu Gesunden.

Ohne zunächst gezielt danach zu suchen, stellten die Forscher fest, dass die Gewebeproben mehr oder weniger stark mit verschiedenen Virusarten infiziert waren. Auch in gealterten Hirnen geistig gesunder Menschen fanden sich Spuren von Viren. Doch in Alzheimer-Hirnen war speziell der Gehalt an zwei Typen Humaner Herpesviren (HHV-6A und HHV-7) stark erhöht, nicht aber in Proben von Patienten mit anderen Gehirnerkrankungen. Eine Infektion durch HHV-6A oder HHV-7 war verbunden mit einer veränderten Aktivität menschlicher Gene, darunter auch solcher, die die Produktion von Beta-Amyloiden steuern. Aus diesen Stoffwechselprodukten bestehen die Ablagerungen, die sogenannten senilen Plaques, im Gehirn von Alzheimer-Patienten. Zwischen Virusinfektion und Plaquebildung bestand ein weiterer interessanter Zusammenhang: Eine Infektion durch HHV-6A senkt den Spiegel an miR155, einer Mikro-RNA, die Immunfunktionen reguliert. Versuche mit Mäusen zeigten, dass sich die Plaquebildung im Gehirn verstärkt, wenn diese Mikro-RNA in den Hirnzellen fehlt.

Die Forscher vermuten daher, dass eine Infektion von Hirnzellen durch Humane Herpesviren eine fehlgesteuerte Immunreaktion im Gehirn auslöst. Demnach wären die Beta-Amyloidablagerungen eine Abwehrreaktion, um Viren abzukapseln und so an der Ausbreitung zu hindern. Humane Herpesviren vom Typ 6A und 7 sind weitverbreitet und bei den meisten Menschen im Blut nachweisbar. Die Infektion verläuft meist symptomlos. Doch die neuen Ergebnisse lassen nun darauf schließen, dass diese Viren eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Alzheimer-Krankheit spielen könnten, wenn es ihnen gelingt, Hirnzellen zu infizieren. Wenn sich diese Vermutung bestätigt, wären Alzheimertherapien möglich, die gegen diese Viren gerichtet sind. Dadurch wäre es denkbar, den Krankheitsverlauf zu stoppen oder – bei frühzeitiger Diagnose – eine Erkrankung sogar zu verhindern.

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