Das Zitteraal-Kraftwerk

Bionische Stromquelle ahmt natürliches elektrisches Organ nach und könnte in Zukunft Sensoren oder gar implantierte Herzschrittmacher antreiben
In diesem Zitteraal-Kraftwerk wandern zwischen tausenden Hydrogel-Noppen mit unterschiedlichem Salzgehalt im direkten Kontakt Ionen und erzeugen dabei einen nutzbaren Stromfluss.
In diesem Zitteraal-Kraftwerk wandern zwischen tausenden Hydrogel-Noppen mit unterschiedlichem Salzgehalt im direkten Kontakt Ionen und erzeugen dabei einen nutzbaren Stromfluss.
© Thomas Schroeder & Anirvan Guha
Fribourg (Schweiz)/Ann Arbor (USA) - Mit Spannungspulsen von bis zu 800 Volt tötet der Zitteraal (Electrophorus electricus) seine Beute und verteidigt sich gegen Räuber. Sein elektrisches Organ besteht aus tausenden winzigen Elementen, den Elektrozyten. Diese natürliche Stromquelle ahmten nun Wissenschaftler aus der Schweiz und den USA nach. Wie sie in der Fachzeitschrift „Nature“ berichten, konnten sie mit ersten Prototypen elektrische Spannungen von bis zu 110 Volt erzeugen. Aufgebaut aus einem weichen, flexiblen Kunststoff planen die Forscher, ihr Prinzip eines Zitteraal-Kraftwerks für Stromquellen zum Betrieb von Sensoren, Implantaten oder gar Herzschrittmacher zu nutzen.

„Der Zitteraal polarisiert tausende Zellen gleichzeitig, um die hohen Spannungen zu erzeugen“, sagt Max Shtein von der University of Michigan in Ann Arbor. In diesen Elektrozyten konzentrieren sich abwechselnd Kalium- und Natriumionen, jeweils mit hauchdünnen Membranen voneinander getrennt. Bei einem Angriff oder auf der Jagd nach Beute aktiviert der Zitteraal die Elektrozyten durch Muskelbewegungen und die Membranen werden für die elektrischen Ladungsträger durchlässig. Jeder einzelne Elektrozyt baut so eine elektrische Spannung von etwa 150 Millivolt auf. Mit dem gesamten elektrischen Organ entstehen die für kleine Fische tödlichen Spannungspulse mit mehr als 600 Volt bei einer Stromstärke von rund einem Ampere.

Die Strom erzeugenden Elektrozyten bauten nun Shtein und seine schweizerischen Kollegen von der Universität Fribourg mit einem 3D-Druckverfahren nach. Auf einer rollbaren und transparenten Kunststoffschicht druckten sie knapp 2500 Noppen aus einem weichen, flexiblen Hydrogel. Jede dieser symmetrisch angeordneten Noppen in Form eine Halbkugel hatte einen Durchmesser von etwa drei Millimetern. Immer abwechselnd war in den Hydrogel-Noppen mal sehr viel, mal fast gar kein Kochsalz – Natriumchlorid - gelöst. Folglich wechselten sich Noppen mit hohen und niedrigen Konzentrationen an Natrium- und Chloridionen ab.

War die Noppenfolie flach ausgelegt, berührten sich die einzelnen Noppen nicht, kein Stromfluss entstand. Nun legten die Forscher darauf eine zweite Noppenfolie genau so, dass sich immer abwechselnd Noppen mit hohen und geringem Salzanteil berührten. Durch die Kontaktflächen konnten nun die enthaltenen Ionen wandern und so einen Stromfluss erzeugen. In der Summe aller in Reihe angeordneten Noppen ließ sich über eine angeschlossene Elektrode ein Strom mit 110 Volt Spannung mit einer Leistung von 27 Milliwatt pro Quadratmeter messen.

In einem weiteren Prototyp ihrer Zitteraal-Stromquelle nutzten Shtein und Kollegen die japanische Origami-Falttechnik. Entfaltet erzeugte dieses Modul keinen Strom. Zusammengefaltet berührten sich abwechselnd die Noppen mit den unterschiedlichen Salzkonzentrationen und wieder entstand ein Stromfluss. Heute reicht die Stromausbeute aus, um einzelne Leuchtdioden zu betreiben. Mit einer optimierten Anordnung von noch mehr und vielleicht auch kleineren Noppen könnten weiche Minikraftwerke entstehen, die genug Strom für implantierte Sensoren, Insulinpumpen oder Herzschrittmacher liefern sollen.

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