Neue Methode erleichtert Diagnose von Alzheimer

Nasen für klinische Studien gesucht
Darmstadt - Die Alzheimer-Krankheit ist die Geißel unserer Zeit. Rund 1,2 Millionen Menschen leiden inzwischen in Deutschland an dieser fortschreitenden Hirnerkrankung. Kennzeichnend sind zunehmender Gedächtnisverlust, Verwirrtheit und Desorientierung – schließlich eine irreversible Demenz. Bis heute ist das Leiden nicht heilbar, höchsten zu verlangsamen. Dabei liegen die Erfolgschancen umso höher, je früher Alzheimer diagnostiziert und eine Therapie eingeleitet wird. Jetzt hat es genau an diesem kritischen Punkt einen Durchbruch gegeben: Eine neuartige Methode, die interessanterweise in der Nase ansetzt, könnte die frühzeitige Diagnose wesentlich vereinfachen.

Der Fortschritt war, wie so häufig in der Wissenschaft, eine Kombination von Zufall und Inspiration. Einen hellen Geist bewies im aktuellen Fall Professor Boris Schmidt von der Technischen Universität Darmstadt. Der machte nämlich bei einer Tagung zufällig die Beobachtung, dass sich eine ganz bestimmte Signalsubstanz in der Nasenschleimhaut von Alzheimerpatienten ansammelt. "Ich hielt meinen Mund, fuhr nach Darmstadt und machte mich mit meinen Kollegen gleich daran, dieses Phänomen genauer zu untersuchen", erinnert sich Schmidt.

Die Signalsubstanz ist das sogenannte Tau-Protein, das sich bei Alzheimerpatienten im Gehirn ablagert und dort zum Absterben der betroffenen Zellen führt. Bisher war nur bekannt, dass es sich ebenfalls in den Nervenzellen der Augen nachweisen lässt. Dort kann es mittels fluoreszierender Farbstoffe sichtbar gemacht werden. Schmidt und seine Kollegen fanden nun aber heraus, dass sich die Nasen für eine einfachere Diagnose eignen. Denn Tau-Ablagerungen in der Nasenschleimhaut stimmen sehr stark mit denen im Gehirn überein: "Je mehr Tau-Ablagerungen wir in den Nasen der Patienten gefunden haben, desto stärker waren auch die Hirnstrukturen befallen. Ein solcher Zusammenhang konnte bei den Ablagerungen im Auge bislang nicht sicher festgestellt werden", betont Schmidt.

Die Nasenschleimhaut würde nicht nur genauere Aussagen über das Krankheitsstadium zulassen als eine Untersuchung der Netzhaut. Die Diagnose wäre für den Patienten auch einfacher. Laut Schmidt könnte man sich vorstellen, ein Nasenspray zu entwickeln, das die Tau-Ablagerungen anfärbt. Die Veränderungen würden dann mit einem Licht-Endoskop untersucht. Zurzeit wäre allerdings noch eine Biopsie, also eine Gewebe-Entnahme, notwendig. Abstriche reichten nicht aus, weil sich das Protein unter der Schleimhautoberfläche in den Drüsen ansammelt.

Sollte die Diagnose funktionieren, wäre es auch eine sehr günstige Methode, was in Zeiten knapper Kassen nicht unwesentlich ist. "Schließlich stehen pro Tag und Alzheimer-Patient nur zwei Euro zur Verfügung", merkt Schmidt an. Vorstellbar ist, dass mit dem Verfahren eine Voruntersuchung bei Patienten gemacht wird. Ergibt sich ein Verdacht, könnte die Betroffenen dann mit anderen Verfahren genauer untersucht werden. Anbieten würde sich möglicherweise eine Methode die ebenfalls gerade erst im Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf weiter entwickelt wurde. Die ist jedoch auf den Einsatz eines Positronen-Emissions-Tomographen (PET) angewiesen, was leicht 1000 bis 2000 Euro kostet – und sich damit nicht für eine Massenuntersuchung eignet.

Ein großes Problem haben die Forscher in Darmstadt zurzeit aber noch: "Für die weitere Forschung brauchen wir Nasen", betont Schmidt. Denn bisher haben die Darmstädter aus Mangel an Spendern lediglich die Riechorgane von 24 toten Patienten untersuchen können. Für eine Zulassung in der EU und den USA wären aber wesentlich höhere Zahlen notwendig: "Wir müssen mindestens die Nasen von 100 Alzheimer-Kranken und eine gleich hohe Zahl von Menschen ohne Alzheimer obduzieren", so Schmidt. Hinzu kämen klinische Studien mit lebenden Patienten, um möglichst genau und frühzeitig Alzheimer-Betroffene von Gesunden unterscheiden zu können. Denn darauf käme es schließlich bei einem solchen Test an.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: Interview Prof. Boris Schmidt (plus idw)


 

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