Inventur des Schelfeises am Südpol

Analyse von Satellitendaten zeigt, dass zwischen 1997 und 2021 vor allem die schwimmenden Eisflächen im Westen des Kontinents schmelzen
Wassertemperaturen rund um die Antarktis.
Wassertemperaturen rund um die Antarktis.
© Benjamin Davison, U. Leeds
Leeds (Großbritannien) - Der riesige antarktische Kontinent ist rundherum von Schelfeis umgeben. Diese schwimmenden Eisflächen sind bis zu 1000 Meter dick. Doch vor allem im Westen der Antarktis verdünnt sich das Schelfeis und speiste netto zwischen 1997 und 2021 rund 7500 Milliarden Tonnen Schmelzwasser in das Südpolarmeer. Diese Bestandsaufnahme gelang nun einer internationalen Forschungsgruppe mit der Analyse der Messungen mehrerer Radarsatelliten. Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Science Advances“ berichten, erleichtert das Abschmelzen das Abrutschen von Gletschereis von der antarktischen Landmasse.

„Nahezu die Hälfte der Schelfeisplatten schrumpfen ohne jedes Anzeichen einer Erholung“, sagt Benjamin Davison von der britischen University of Leeds. So schmolzen über das vergangene Vierteljahrhundert 71 von insgesamt 162 Schelfeisplatten schneller ab als sie wieder anwuchsen. Diese schrumpfenden Eisplatten machten die Forschenden vor allem im Westen der Antarktis aus. 48 dieser Schelfeisplatten verloren über die 25 Jahre sogar mehr als 30 Prozent ihrer Eismasse. Die Schelfeisplatten entlang der Ostküste zeigten sich dagegen stabil oder wuchsen sogar etwas. Diese detaillierte Analyse des Schelfeis beruht auf Messungen von Radaraltimetern, die von den Satelliten aus über die Reflexion der Radarwellen eine Höhenbestimmung der Eisschilde ermöglichen.

Den Grund für diese unterschiedliche Entwicklung fand das Team um Davison in erwärmten Meeresströmungen im Westen der Antarktis. Das wärmere Wasser verursacht nach Aussage der Forschenden vor allem ein Abschmelzen an der unteren Seite der Schelfeisplatten. Der Abbruch von Eisbergen – das so genannte Kalben – spiele dagegen mit fünf bis rund 30 Prozent nur eine kleinere Rolle beim Schelfeisschwund. Der Ozean im Osten des Kontinents sei dagegen vorerst durch Kaltwasserzonen vor dem Zustrom wärmeren Wassers geschützt.

Da Schelfeisplatten bereits auf dem Südpolarmeer schwimmen, führt das Abschmelzen nicht direkt zu einer Erhöhung des Meeresspiegels. Doch sie erfüllen eine Funktion als Stöpsel, um das Nachrutschen von Eismassen vom Festland aufs Meer zu verlangsamen. Werden diese Stöpsel durch ein Abschmelzen geschwächt, rutscht das Festlandeis leichter und schneller in das Südpolarmeer. Verstärkt sich dieser Prozess wegen des sich ausdünnenden Schelfeises, droht ein Anstieg des Meeresspiegels.

Davison ist davon überzeugt, dass die vom Menschen verursachte Erderwärmung den Schlüsselfaktor für den Schelfeisschwund darstellt. Damit erhöhe sich nicht nur das Risiko für einen Anstieg des Meeresspiegels. Das geschmolzene Süßwasser verdünnt zusätzlich das schwerere Salzwasser des Südpolarmeers. Da schweres, kaltes Salzwasser im Meer absinkt, wirkt es als Antrieb für das globale System an Meeresströmungen. Wird das Wasser durch zugemischtes Süßwasser leichter, schwächt sich dieser Antrieb ab.

Um diese Effekte und deren Ursachen weiter im Auge zu behalten, werden Forschende den Zustand der Eismassen rund um die Antarktis in Zukunft mit den in den kommenden Jahren startenden Satelliten Cristal, Cimr and Rose-L analysieren können.

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