Insulin von Kegelschnecken
![Im Vergleich zum menschlichen Insulin (blau/weiß + grün) fehlt dem Insulin der Landkarten-Kegelschnecke (rot/weiß) der grün dargestellte Teil der B-Kette, der für die Bildung von Aggregaten verantwortlich ist.](/onTEAM/fotos/221473619825.jpg)
„Die Schnecke muss beim Fisch einen sofort einsetzenden Insulinschock auslösen und hat dazu ein sehr schnell wirkendes Mittel entwickelt“, sagt Helena Safavi von der University of Utah. „Jetzt können wir versuchen, das menschliche Insulin etwas mehr schneckenartig zu machen.“ Die bei zahlreichen Tierarten vorkommenden Insuline sind Protein-Hormone, die aus zwei miteinander verbundenen Ketten von Aminosäuren bestehen. Das Rinderinsulin unterscheidet sich in drei Aminosäuren, das Schweineinsulin in nur einer Aminosäure vom menschlichen Hormon. Zunächst sind die Insulinmoleküle – sowohl am natürlichen Produktionsort in der Bauchspeicheldrüse als auch in medizinischen Insulinpräparaten – im Sechserpack zusammengelagert. Bevor das Hormon seine Wirkung im Körper entfalten kann, müssen daraus wieder Einzelmoleküle entstehen. Denn nur diese können an den Insulin-Rezeptoren von Muskel- und Fettzellen andocken, was die Aufnahme von Glukose verstärkt. Es kann etwa eine Stunde dauern, bis nach einer Insulininjektion der Blutzuckerspiegel sinkt – mit einigen Präparaten zumindest noch 15 bis 30 Minuten.
Zusammen mit australischen Forschern um Michael Lawrence vom Walter and Eliza Hall Institute of Medical Research in Melbourne untersuchten Safavi und ihre Kollegen die Struktur und Wirkung des natürlichen und synthetisch hergestellten Insulins aus dem Gift der Landkarten-Kegelschnecke (Conus geographus). Es stellte sich heraus, dass in der sogenannten B-Kette des Moleküls ein Abschnitt fehlte, der beim menschlichen Hormon für die Zusammenlagerung der Einzelmoleküle verantwortlich ist. Das Schnecken-Insulin liegt also bereits in Form einzelner Moleküle vor, so dass die sonst zur Aktivierung notwendige Trennungsphase entfällt. In Laborversuchen aktivierte das Hormon die Insulin-Rezeptoren menschlicher Zellen schon nach fünf Minuten. Im Vergleich zum menschlichen Insulin war die Wirkung allerdings zehnmal schwächer. Wie schnell das Schneckenhormon nach Injektion in den Körper des Menschen wirken würde, ist noch nicht bekannt.
In weiteren Experimenten wollen die Forscher nun versuchen, entweder die Wirksamkeit des Schnecken-Insulins auf menschliche Zellen zu verbessern oder das menschliche Insulin so zu verändern, dass es genauso schnell wirkt wie das Hormon der Kegelschnecke. Die weiteren Ergebnisse dieser Arbeiten könnten auch zur bereits laufenden Entwicklung einer künstlichen Bauchspeicheldrüse beitragen, erklärt Danny Chou, ein Mitglied des Teams. Ein Prototyp dieses künstlichen Organs, das automatisch Insulin freisetzt, wenn der Blutzuckerspiegel steigt, werde schon in einem Jahr zur Verfügung stehen.