Evolution: Fledermäuse brachten Glühwürmchen zum Leuchten

Die Biolumineszenz der Insekten diente ursprünglich wohl nicht der Partnersuche, sondern war ein Warnsignal der giftigen Larven, das dann von den nachtaktiven Käfern zur Abschreckung von Fledermäusen übernommen wurde
Der Leuchtkäfer Photinus pyralis nutzt die Biolumineszenz nicht nur zur sexuellen Kommunikation, sondern auch als Warnsignal zur Abschreckung von Fledermäusen.
Der Leuchtkäfer Photinus pyralis nutzt die Biolumineszenz nicht nur zur sexuellen Kommunikation, sondern auch als Warnsignal zur Abschreckung von Fledermäusen.
© Dr. Stephen Marshall
Boise (USA) - Viele Leuchtkäfer, auch Glühwürmchen genannt, nutzen die Lichtproduktion durch Biolumineszenz zur Partnersuche im Dunkeln. Doch ursprünglich hatte das Leuchten wahrscheinlich eine ganz andere Funktion: Es sollte Fressfeinde abschrecken. Die Larven der tagaktiven Vorfahren dieser Insekten signalisierten damit, dass sie wegen giftiger Substanzen ihres Körpers ungenießbar sind. Nach dem Übergang zu einer nachtaktiven Lebensweise entwickelte sich dann auch bei den erwachsenen Käfern die Fähigkeit zur Biolumineszenz und zwar als Schutz vor Fledermäusen. Und erst danach erhielten Lichtsignale eine zusätzliche Funktion für die Fortpflanzung. Neue Beobachtungen amerikanischer Biologen unterstützen diese Hypothese. Wie die Forscher im Fachblatt „Science Advances“ berichten, lassen die Fledermäuse die giftigen Leuchtkäfer nicht nur, aber auch deshalb unbehelligt, weil sie schnell lernen, das Leuchten als Warnsignal zu erkennen. Demnach hätten wir es den Fledermäusen zu verdanken, dass es überhaupt Glühwürmchen gibt, die nachts beim Fliegen leuchten.

„Die Bedrohung durch Fledermäuse könnte eine Triebfeder bei der Evolution der Leuchtkäfer-Biolumineszenz gewesen sein“, schreiben die Biologen um Jesse Barber von der Boise State University. Es ist bekannt, dass Leuchtkäfer nicht zu den Beutetieren von Fledermäusen zählen. Versucht man eine gefangene Große Braune Fledermaus (Eptesicus fuscus) mit Leuchtkäfern der Gattung Photinus zu füttern, nimmt das Tier diese giftstoffhaltige Nahrung nicht an. Die Forscher wollten nun herausfinden, wie eine Fledermaus essbare Insekten von ungenießbaren Leuchtkäfern unterscheiden kann. Dazu filmten sie zunächst in dunklen Kammern mit Spezialkameras die Jagd der Fledermäuse auf Leuchtkäfer (Photinus pyralis) und essbare Fluginsekten wie Wachsmotten.

Unerfahrene Fledermäuse fingen am ersten Tag mindestens einen Leuchtkäfer, der aber schnell wieder losgelassen wurde. Nach einigen Tagen jagten die Tiere diese Insekten gar nicht mehr. Nach Abschluss der Lernphase wurden zwei in der Hand festgehaltenen Fledermäusen Leuchtkäfer angeboten, deren leuchtender Hinterleib mit dunkler Farbe übermalt worden war, so dass sie kein Licht mehr abgeben konnten. Eines der Tiere nahm alle Leuchtkäfer an, ohne zunächst deren Ungenießbarkeit zu erkennen. Demnach nehmen die Fledermäuse das Leuchten als Warnsignal wahr, was aufgrund nachgewiesener Lichtrezeptoren auch erklärbar ist. Das andere Tier aber zeigte auch gegenüber den nicht leuchtenden Käfern starke Abneigungsreaktionen. In diesem Fall erkannte die Fledermaus das giftige Insekt offenbar auf nicht visuelle Weise.

Aus weiteren Experimenten schließen die Biologen, dass den Tieren als zweite Informationsquelle akustische Signale dienten: Das Echo der Ultraschallrufe gab Auskunft über Größe, Gestalt und Strukturen des Insekts, was eine Identifizierung ermöglichte. Mit Hilfe einer solchen multisensorischen Wahrnehmung, also durch visuelle und akustische Signale, lernten die Fledermäuse schneller, zwischen giftig und genießbar zu unterscheiden, als wenn sie dabei nur auf einen Sinn angewiesen waren. Die Forscher gehen davon aus, dass die sexuelle Kommunikation der Leuchtkäfer – wie bei anderen Insekten auch – ursprünglich nur über Pheromone erfolgte. Erst im Verlauf der Evolution zur nachtaktiven Lebensweise wurden auch Leuchtsignale zur Partnersuche genutzt. Schätzungen zufolge haben sich die Leuchtkäfer vor 75 Millionen Jahren entwickelt, 10 Millionen Jahre bevor mit dem Auftreten der Fledermäuse ein starker Selektionsdruck für nachtaktive Leuchtkäfer entstand, die Biolumineszenz als Warnsignal bei nächtlichen Flügen zu nutzen.

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