Darmflora schützt vor Gebrechlichkeit im Alter
„Indole lassen alte Tiere mehr wie junge aussehen“, sagt Daniel Kalman von der Emory University in Atlanta. „Unsere Arbeiten führen auf direktem Weg zu einem Wirkstoff, durch den Menschen längere Zeit besser leben könnten.“ Es sei wichtig, genauer zu erforschen, wie ein gesundes Altern möglich ist. Denn eine weitere Verlängerung der Lebenszeit allein wäre kein lohnendes Ziel, wenn die Lebensqualität der gewonnenen Jahre immer stärker sinkt. Ernährung und Zusammensetzung der Darmflora haben wahrscheinlich einen großen Einfluss auf das Fortschreiten der Gebrechlichkeit im Alter. „Wir haben jetzt starke Hinweise auf einen Mechanismus gefunden, wie verschiedene Darmbakterien ihre Wirkung entfalten“, sagt Kalman.
Mehrere Arten von Darmbakterien produzieren Indole beim Abbau tryptophanhaltiger Proteine sowie aus Inhaltsstoffen von Pflanzen wie Brokkoli und Kohl. Die Arbeitsgruppe von Kalman hatte bereits herausgefunden, dass E. coli-Bakterien im Darm von Würmern und Mäusen Indolverbindungen freisetzen, die die Tiere widerstandsfähiger gegen Infektionen machen. In ihren neuen Experimenten fütterten die Forscher Fadenwürmer (Caenorhabditis elegans) entweder mit normalen indolbildenden E. coli-Bakterien oder mit Mutanten, die kein Indol mehr produzieren konnten. Die Verfütterung der Indolproduzenten bewirkte, dass die Würmer im Alter beweglicher blieben, Hitzestress besser überstanden und als Weibchen doppelt so lange fruchtbar blieben wie die Vergleichsgruppe. Eine ähnliche Wirkung auf Beweglichkeit und altersbedingte Beeinträchtigungen zeigten die indolbildenden Bakterien bei Taufliegen. In Versuchen mit Mäusen eliminierten die Forscher zunächst einen großen Teil der Darmflora durch ein Antibiotikum und verabreichten dann jeweils eine der beiden E. coli-Varianten. War der Darm innerhalb von drei Monaten mit Indolproduzenten besiedelt, blieben diese Mäuse aktiver, kräftiger und neugieriger und behielten ein gesünderes Fell als die anderen.
Bei den alternden Würmern veränderte ein hoher Indolspiegel das Aktivitätsmuster von Genen so, dass es eher dem von jungen Tieren entsprach. Andere Gene, die die Lebensdauer beeinflussen, waren davon nicht betroffen. Noch ist nicht bekannt, auf welche Weise Indole der Gebrechlichkeit entgegenwirken. Ein genereller entzündungshemmender Effekt könnte dabei von Bedeutung sein. Die Forscher wissen auch noch nicht, wie die nachgewiesene Schutzwirkung am besten therapeutisch umgesetzt werden könnte. Denkbar wären Präparate probiotischer indolproduzierender Darmbakterien, wozu neben E. coli auch viele Bacteroides- und Lactobacillus-Arten zählen. Zusätzlich würden Nahrungsmittel hilfreich sein, bei deren Abbau im Darm größere Mengen an Indolen entstehen. Möglicherweise, vermuten die Autoren, könnte auch die Einnahme konzentrierter Pflanzenextrakte oder bestimmter Indolpräparate die Altersgesundheit verbessern.