Oxytocin: Liebeshormon mit Anti-Aging-Effekt

Eine Behandlung mit dem natürlichen Botenstoff bremst bei Mäusen den altersbedingten Muskelschwund
Die Dichte der Muskelfasern bei alten Mäusen (links) lässt sich durch Oxytocin-Injektionen erhöhen (rechts). Die Bilder zeigen gefärbte Gewebeschnitte der Wadenmuskulatur.
Die Dichte der Muskelfasern bei alten Mäusen (links) lässt sich durch Oxytocin-Injektionen erhöhen (rechts). Die Bilder zeigen gefärbte Gewebeschnitte der Wadenmuskulatur.
© Wendy Cousin and Christian Elabd, UC Berkeley
Berkeley (USA) - Das Hormon Oxytocin spielt eine wichtige Rolle bei der Geburt, beim Stillen und der Entwicklung fester sozialer Bindungen. Jetzt haben amerikanische Forscher bei Mäusen noch eine ganz andere Funktion des Botenstoffs nachgewiesen: Oxytocin aktiviert Stammzellen in den Skelettmuskeln und bewirkt damit die Regeneration von geschädigtem Muskelgewebe. Durch eine Behandlung mit dem Hormon ließ sich der altersbedingte Muskelschwund bei den Tieren aufhalten, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature Communications”. Wenn sich die Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen, stünde ein gut verträgliches natürliches Mittel zur Verfügung, um die Lebensqualität im Alter zu verbessern.

„Die meisten bisher bekannten Wirkstoffe, die die Geweberegeneration verbessern, erhöhen auch das Krebsrisiko; das begrenzt ihr Potenzial für den Einsatz beim Menschen“, sagt Irina Conboy von der University of California in Berkeley. Ihr Forscherteam konnte in Experimenten mit Mäusen zeigen, dass Oxytocin an ruhende Stammzellen in der Skelettmuskulatur – den sogenannten Satellitenzellen – andockt. Bei einer Muskelverletzung setzt das eine Kette von Reaktionen im Zellinnern in Gang, was schließlich zur Bildung neuer Muskelzellen führt. Auch nach wiederholten Injektionen des Hormons ergaben sich keine Hinweise auf eine unkontrollierte Zellvermehrung und Krebswachstum.

Die Forscher hatten beobachtet, dass der Blutspiegel an Oxytocin mit zunehmendem Alter der Mäuse sank. Gleichzeitig verringerte sich die Zahl der Hormon-Andockstellen auf den Satellitenzellen. Beides könnte die Ursache dafür sein, dass die Fähigkeit zu Regeneration und Erhalt der Muskelmasse im Alter nachlässt. Um das zu bestätigen, injizierten die Forscher das Hormon vier Tage lang unter die Haut alter Mäuse. Nach einer Muskelverletzung setzten sie dann diese Behandlung noch weitere fünf Tage fort. Dadurch regenerierte das Muskelgewebe deutlich besser als bei unbehandelten Kontrolltieren. Die Reparaturleistung erreichte etwa 80 Prozent des Wertes von jungen Mäusen.

Umgekehrt verschlechterte sich die Wundheilung nach einer Muskelverletzung bei jungen Mäusen, wenn sie mit einem Hemmstoff behandelt wurden, der die Oxytocin-Andockstelle blockierte. Genetisch veränderte Mäuse, die kein Oxytocin mehr bilden konnten, unterschieden sich in Muskelwachstum und Regenerationspotenzial zunächst nicht von normalen Tieren. Erst bei den erwachsenen Mäusen entwickelten sich Anzeichen vorzeitigen Alterns in Form von Muskelschwund. Offenbar wirkt das Hormon speziell am Erhalt der Muskelmasse im Erwachsenenalter mit, während in jüngeren Jahren auch andere Mechanismen der Geweberegeneration von Bedeutung sind, sagt Conboy. Noch ist nicht bekannt, ob Oxytocin beim Menschen eine ähnliche Bedeutung für die Muskelregeneration hat. Wenn das so wäre, könnte eine vorbeugende Oxytocin-Behandlung zu einem gesünderen Altern beitragen. Da es Hinweise darauf gibt, dass das Hormon auch die Entwicklung von Osteoporose und Fettleibigkeit hemmt, könnte es auf mehrfache Weise gegen Gebrechlichkeit wirksam sein.

Bereits ab dem dritten Lebensjahrzehnt verringert sich beim Menschen allmählich die Muskelmasse, schreiben die Autoren. Das führt im hohen Alter zur Sarkopenie und erhöht die Sturzgefahr. Das Peptidhormon Oxytocin wird in der Hirnregion des Hypothalamus produziert, in der Hypophyse gespeichert und unter anderem ins Blut freigesetzt. Oxytocin-Präparate sind bereits als Medikamente für die Geburtshilfe zugelassen. Klinische Studien prüfen derzeit auch die Wirksamkeit bei unterschiedlichen psychischen Störungen.

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