Besser mal den Schnabel halten

Es sei eigentlich zu erwarten, dass ein starker Selektionsdruck das Gesangsverhalten der Weibchen in der Nähe des Nestes verändern würde, schreiben Sonia Kleindorfer von der Flinders University in Adelaide und ihre Kolleginnen. So wäre es von Vorteil, eine Bedrohung durch Nesträuber frühzeitig zu erkennen und das Verhalten daran anzupassen. Die Biologinnen beobachteten 72 freilebende Paare des Prachtstaffelschwanzes (Malurus cyaneus). Männchen und Weibchen dieses australischen Singvogels nutzen den Gesang zur Partnersuche und zur Markierung ihres ganzjährigen Reviers. Das Brüten übernimmt allein das Weibchen, während sich beide Eltern am Füttern der Jungen beteiligen.
Alle drei Tage wurden die Nester kontrolliert und für jeden Vogel die Zahl der Gesänge pro Stunde ermittelt. Die Gesangsrate war generell bei den Männchen etwas höher und erreichte bei beiden Geschlechtern in der Zeit vor der Eiablage die höchsten Werte. Sie halbierte sich während der Brutphase und sank danach noch weiter. Nur für die Weibchen ergab sich ein klarer Zusammenhang: Je höher die Gesangsrate während der Zeit des Brütens und Fütterns, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass Eier oder Küken von Nesträubern erbeutet wurden. Im Gegensatz zu den Männchen hielten sich die weiblichen Vögel beim Singen oft in der Nähe des Nestes auf. Die Hälfte sang sogar während des Brütens im Nest.
In einer zusätzlichen Versuchsreihe bauten die Forscherinnen in einem Naturschutzgebiet 45 künstliche Nester, in die sie jeweils ein Wachtel-Ei legten. Außerdem installierten sie Lautsprecher, über die sie Gesänge weiblicher Prachtstaffelschwänze mit geringer (sechs pro Stunde) oder hoher Rate (20 pro Stunde) abspielten. Jedes dritte Nest diente als Kontrolle und blieb stumm. Bei hoher Gesangsrate wurden 40 Prozent der Nester geplündert, bei geringer nur halb so viele. Die Kontrollnester blieben ganz verschont.
Offensichtlich lockt also der Gesang von Weibchen Nesträuber an. Vor der ersten Eiablage dienen die Gesänge beider Geschlechter der Partnersuche und Reviermarkierung. Noch ist ungeklärt, warum brütende und fütternde Weibchen überhaupt noch singen, wenn das mit Nachteilen für die Brut verbunden ist. Möglicherweise verstärkt ihr Gesang die Partnerbindung und damit die Versorgung der Küken. Oder der Vorteil dieses Verhaltens besteht darin, dass die Jungen so schneller den arttypischen Gesang erlernen, worauf Untersuchungen anderer Forscher hinweisen. Aber auch dann wäre es vorteilhafter, in der Nähe des Nestes nur dann zu singen, wenn die Luft rein ist.
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