Bei Koalas bestimmen die Darmbakterien den Speisezettel

Nur nach Veränderung des Mikrobioms nutzen die Beuteltiere als Nahrungsquelle auch solche Eukalyptusarten, deren Blätter sie bisher nicht verdauen konnten
Bei der Wahl ihrer Nahrung sind Koalas von Natur aus völlig unflexibel.
Bei der Wahl ihrer Nahrung sind Koalas von Natur aus völlig unflexibel.
© Michaela Blyton
Sydney (Australien) - Koalas sind extreme Nahrungsspezialisten: Sie fressen nur Blätter ganz bestimmter Eukalyptusarten. Verschiedene Populationen der Beuteltiere haben sich jeweils auf unterschiedliche Baumarten spezialisiert. Doch selbst bei Nahrungsmangel und drohendem Hungertod können sie ihre Ernährung nicht mehr umstellen. Das erschwert auch die Arbeit von Naturschützern, wenn eine Umsiedlung von Tieren nötig ist. Jetzt haben australische Biologen herausgefunden, dass offenbar die Darmflora eines Koalas – sein Mikrobiom – darüber entscheidet, welche Blätter essbar sind und welche nicht. Erst eine Übertragung von Darmbakterien anderer Koalas ermöglichte es den Tieren, zu einer bisher verschmähten Blätterkost zu wechseln, wie die Forscher im Fachblatt „Animal Microbiome“ berichten.

„Wir konnten zeigen, dass es prinzipiell möglich ist, aus Kotbestandteilen hergestellte Kapseln mit Darmbakterien zu benutzen, um den Darm von Koalas mit neuen Mikroben zu besiedeln“, sagt Michaela Blyton von der Western Sydney University. Das so veränderte Mikrobiom erleichterte eine Nahrungsumstellung. Anlass der Forschungsarbeit war der Hungertod von 70 Prozent einer Population von Koalas. Die Tiere lebten in einem Wald von Eucalyptus-viminalis-Bäumen und hatten sich so stark vermehrt, dass alle Blätter dieser Bäume abgefressen waren. Obwohl es in der Nähe Eukalyptusbäume einer anderen Art (Eucalyptus obliqua) gab, von deren Blätter sich andere Populationen ernähren konnten, nutzten die hungernden Tiere diese alternative Nahrungsquelle nicht. Die Blätter der beiden Eukalyptusarten zeigen unter anderem Unterschiede im Gehalt an Proteinen und schwer verdaubaren Fasern. Koalas, die auf die eine Baumart spezialisiert waren, unterschieden sich im Artenspektrum ihres Darm-Mikrobioms von denjenigen, die die andere Baumart bevorzugten.

Die Forscher wollten nun untersuchen, ob durch eine Übertragung von Darmbakterien das Mikrobiom so verändert werden kann, dass eine Nahrungsumstellung möglich wird. Dazu fingen sie zwölf wild lebende Koalas ein, die sich ausschließlich von Eucalyptus-viminalis-Blättern ernährt hatten. Aus dem Kot anderer Koalas, deren Nahrung nur aus Blättern von Eucalyptus-obliqua-Bäumen bestand, stellten die Biologen ein Konzentrat von Darmbakterien her, das in säureresistente Kapseln eingeschlossen wurde. Diese Kapseln verfütterten sie neun Tage lang an die Koalas der Eucalyptus-viminalis-Gruppe. Gleichzeitig boten sie den Tieren Eucalyptus-obliqua-Blätter zum Fressen an. Innerhalb von drei Wochen veränderte sich das Mikrobiom und die Koalas begannen, auch die zuvor abgelehnten Blätter zu verzehren.

Während bei Menschen ein Wechsel der Ernährung mit der Zeit das Mikrobiom des Darms verändert, ist es bei Koalas eher umgekehrt: Um eine bestimmte Sorte von Blättern verdauen zu können, benötigen sie einen Mix spezieller Bakterienarten, den sie nach der Geburt mit dem Kot ihrer Mütter aufnehmen. Das heißt, bei ihnen bestimmen die Darmbakterien, was essbar ist. Ihre Methode, die Darmflora von Koalas gezielt zu verändern, hoffen die Forscher einsetzen zu können, wenn Tiere nach einer Zerstörung ihres natürlichen Lebensraums umgesiedelt und an eine neue Nahrungsquelle angepasst werden müssen. Kapseln mit Darmbakterien könnten auch als Probiotikum bei einer antibiotischen Behandlung von Koalas nützlich sein.

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