Kuscheln zum Abkühlen

Koalas schmiegen sich um so mehr an Bäume, je wärmer es wird – ganz besonders an kühle Baumarten
Koalas kuscheln mit Bäumen, um sich abzukühlen.
Koalas kuscheln mit Bäumen, um sich abzukühlen.
© Shutterstock, Bild 124383622
Melbourne (Australien) - Bäume zu umarmen soll etwa dabei helfen, zu entspannen und das Gemüt abzukühlen – Koalas gehen noch einen Schritt weiter: Indem sie sich besonders eng an Bäume kuscheln, kühlen sie sich körperlich ab. Bei Hitze nutzen sie so Bäume, die kühler sind als die Umgebungsluft, um ihre Körpertemperatur zu senken. Mit diesem Verhalten vermeiden die auf Bäumen lebenden Tiere Überhitzung bei hohen Temperaturen. Diesen Mechanismus zur Wärmeregulation haben australische Biologen entdeckt, wie sie im Fachblatt „Biology Letters“ berichten. Da Koalas dank des Baumkuschelns zur Abkühlung nicht so stark Hecheln müssen, vermeiden sie den Verlust wertvollen Wassers. Auch die Art des Baumes spielt eine zentrale Rolle. Ist es besonders warm, suchen die Baumbewohner besonders kühle Arten wie die Schwarzholz-Akazie auf.

„Unsere Ergebnisse beleuchten die wichtige Rolle von Baumstämmen als Kühlflächen über dem Boden, die kalte lokale Mikroumgebungen bieten – nicht nur für Koalas, sondern für alle auf Bäumen lebende Arten“, schreiben Natalie J. Briscoe von der University of Melbourne und ihre Kollegen. Auf dem Boden lebende Tiere haben ganz andere Möglichkeiten als Baumbewohner, vor starker Hitze zu flüchten und sich ein wenig abzukühlen. Sie ziehen sich zum Beispiel an kühlere Stellen am Boden zurück oder sogar in unterirdische Zufluchten wie in Höhlen. Diese Form der Regulation der Körpertemperatur, gezielt ein Mikroklima aufzusuchen, das bei der Thermoregulation hilft, ist eine Schlüsselstrategie, um mit Temperaturveränderungen der Umwelt zurechtzukommen. In den Baumwipfeln sind diese Möglichkeiten allerdings deutlich eingeschränkt.

Im Labor regulieren Koalas ihre Körpertemperatur bei Temperaturen über 25 bis 30 Grad Celsius, indem sie mehr Wasser verdampfen. In der Wildnis dagegen trinken die Tiere seltener, weshalb diese Strategie nicht aufgeht. Daher suchten Briscoe und ihre Kollegen bei Koalas nach Verhaltensweisen, über welche die Abkühlung per Verdunstung minimiert werden könnte. Dazu statteten die Biologen 37 Tiere im südöstlichen Australien mit Funkhalsbändern aus und beobachteten, ob diese bei wärmerem Wetter ihr Verhalten und ihr Mikrohabitat änderten. Außerdem maßen die Forscher mit Wärmebildkameras die Wärmeabstrahlung von Baumstämmen unterschiedlicher Arten, darunter eine Akazien- und mehrere Eukalyptusarten. Und sie berechneten mit Hilfe eines biophysikalischen Modells den Wärmeaustausch bei unterschiedlichen Verhaltensstrategien.

Tatsächlich änderten Koalas beides: Verhalten und auch ihre unmittelbare Umgebung. Bei wärmerem Wetter nahmen sie eine Körperhaltung ein, bei der sie weit mehr Körperkontakt zum Baum aufbauten. Sie umarmten förmlich die Stämme oder dickere, tiefer liegende Äste. Auch welche Bäume sie aufsuchten, hing mit den Temperaturen zusammen. Bei milderen Bedingungen hielten Koalas sich nur zu etwa 5 Prozent in Schwarzholz-Akazien (Acacia mearnsii) auf. War es dagegen sehr heiß, stieg der Anteil auf 29 Prozent. Diese Akazien zeichnen sich durch eine besonders niedrige Temperatur an ihrer Oberfläche aus, die im Schnitt fünf bis sieben Grad tiefer liegt als die umgebende Luft.

Die Simulationen am Modell legten darüber hinaus nahe, dass die Tiere mit diesem Verhalten das aktive Abkühlen über Verdampfen – etwa durch Hecheln – deutlich reduzieren oder sogar ganz vermeiden können. Dieses Verhalten könnte damit entscheidend für das Überleben bei Hitzeperioden sein, wenn Wasser knapp ist, oder auch bei hoher Luftfeuchtigkeit, bei der Verdampfen zur Kühlung nicht effizient genug ist. „Kühle Baumstämme“, schreiben die Zoologen, „bieten bei heißem Wetter wahrscheinlich ein wichtiges Mikrohabitat für auf Bäumen lebende Arten, einschließlich Primaten, Leoparden, Vögel und Wirbellose.“

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