Wie Koalas so tief tönen können

Bislang einzigartiges Stimmorgan ermöglicht es den Männchen, extrem tiefe Laute zu erzeugen
Koalamännchen können für ihre Körpergröße enorm tiefes Gebrüll von sich geben.
Koalamännchen können für ihre Körpergröße enorm tiefes Gebrüll von sich geben.
© Benjamin Charlton
Brighton (Großbritannien) - Eine tiefe Stimme macht Männer einfach anziehend. Koalamännchen treiben es in dieser Hinsicht allerdings auf die Spitze. Ihre Paarungsrufe haben zum Teil eine so tiefe Stimmlage, dass es anatomisch unmöglich scheint – die tiefen Töne passen eher zu einem Elefanten als zu einem lediglich rund acht Kilogramm schweren Säugetier. Ein Team internationaler Forscher hat nun das Geheimnis der tiefen Töne entdeckt: Die männlichen Koalas erzeugen sie mit Hilfe eines speziellen Stimmorgans, das bisher unbekannt war. Diese sogenannten velaren Stimmlippen befinden sich außerhalb des Kehlkopfs, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Current Biology“.

„Wir haben entdeckt, dass Koalas ein Extra-Paar Stimmlippen besitzen, die außerhalb des Kehlkopfs liegen, wo Mund- und die Nasenhöhle aufeinander treffen“, erläutert Benjamin D. Charlton von der University of Sussex in Brighton. „Außerdem zeigen wir, dass Koalas diese zusätzlichen Stimmlippen nutzen, um ihre extrem tiefen Paarungsrufe zu erzeugen.“ Koalamännchen produzieren diese Laute sowohl beim Aus- als auch beim Einatmen als eine anhaltende Tonfolge. Während es beim Einatmen eher an Schnarchen erinnert, klingt das Gebrüll beim Ausatmen mehr wir Rülpsen. Das Schreien ähnelt den Beschreibungen von Charlton zufolge ein wenig an das eines Esels und ist ziemlich laut.

Das Verblüffende: Die Töne sind eigentlich viel zu tief für ein so kleines Säugetier. Die Körpergröße – und damit auch die Ausmaße von Kehlkopf und Stimmlippen – stehen in einem unmittelbaren Verhältnis zur Tonhöhe, die ein Tier erzeugen kann. Denn die Funktionsweise der Stimmlippen – die sich aus Muskelgewebe, Stimmbändern und Schleimhaut aufbauen – kann man sich stark vereinfacht dargestellt vorstellen wie die eines Saiteninstrumentes: Die Töne entstehen durch die Schwingung der Saite und je länger diese ist, desto tiefer ist der Ton. Kleinere Spezies geben dementsprechend prinzipiell hellere Töne, also Töne höherer Frequenzen von sich als größere Arten.

Gemeinsam mit Kollegen aus Deutschland, Österreich und Australien hatte Charlton untersucht, wie Koalas es bewerkstelligen, trotz ihrer verhältnismäßig kleinen Größe Töne so tiefer Frequenzen von sich zu geben. Die Forscher kombinierten dazu anatomische Daten der Tiere mit Video- und Tonaufzeichnungen des arbeitenden Stimmorgans. Sie untersuchten zunächst den Aufbau der Kehlköpfe von zehn Koalamännchen, die aus anderen Gründen eingeschläfert worden waren. Sie konnten aber keinerlei Besonderheiten ausmachen, die die enorm tiefen Töne hätten erklären können. Bei weiterem und noch genauerem Sezieren fand sich im Rachen aber ein weiteres Paar Stimmlippen, das außerhalb des Kehlkopfs lag und deutlich größer und bis dato unbekannt war. Es befand sich etwa an der Stelle, an der oraler und nasaler Teil des Rachens miteinander verbunden sind. Diese Position sowie der charakteristische Aufbau deuteten darauf hin, dass diese zusätzlichen Stimmlippen tatsächlich der Erzeugung von Tönen dienen könnten. Zudem fanden sie Muskeln, über welche die Länge und Form der velaren Stimmlippen beeinflussbar waren. In weiteren Versuchen leiteten die Wissenschaftler Luft durch die entdeckte Struktur und zeichneten nicht nur die entstehenden Töne auf, sondern filmten die Stimmlippen auch bei der Arbeit. „Zusammengenommen bestätigten diese Beobachtungen“, schreiben Charlton und seine Kollegen, „dass Koalamännchen ihre velaren Stimmlippen nutzen, um die extrem tiefen Frequenzbereiche ihres Gebrülls zu erzeugen.“

Das einzig andere Beispiel eines außerhalb des Kehlkopfs gelegenen spezialisierten Organs zur Geräuscherzeugung bei Säugern sind laut Charlton die sogenannten phonic lips, mit deren Hilfe die meisten Zahnwale ihre kurzen hochfrequenten Klick- und Pfeiftöne für die Echolokation erzeugen. In weiteren Studien wollen die Forscher untersuchen, ob auch Koalaweibchen und andere Säugetiere ähnliche Anpassungen besitzen oder ob die velaren Stimmlippen einzigartig bei Koalamännchen vorkommen.

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