Zombie-Gen schützt Elefanten vor Krebs

Während der Evolution der Elefanten wurde ein zuvor funktionsloses Gen reanimiert, das bei einer Schädigung der DNA aktiv wird und den programmierten Zelltod auslöst
Trotz langer Lebensdauer und großer Körpermasse haben Elefanten ein geringeres Krebsrisiko als Menschen.
Trotz langer Lebensdauer und großer Körpermasse haben Elefanten ein geringeres Krebsrisiko als Menschen.
© Eleanor Yarisse
Chicago (USA) - Durch UV-Strahlung, Schadstoffe oder Fehler bei der Zellteilung können DNA-Schäden in einer Zelle entstehen, die zu Krebswachstum führen. Tiere mit besonders langer Lebensdauer und großer Körpermasse müssten daher auch das höchste Krebsrisiko haben. Warum auf Elefanten aber eher das Gegenteil zutrifft, haben amerikanische Genetiker jetzt herausgefunden. Demnach wurde im Lauf der Evolution ein durch Verdopplung eines Ausgangsgens entstandenes, zunächst inaktives Pseudogen im Genom dieser Tiere reaktiviert. Das wieder zum Leben erweckte Gen erhielt eine neue Funktion, die wahrscheinlich für die Entwicklung der enormen Körpergröße der Dickhäuter nötig war: Im aktivierten Zustand verstärkt es den Krebsschutz, indem die Zellen empfindlicher auf eine DNA-Schädigung reagieren und schneller den programmierten Zelltod, die Apoptose, auslösen, berichten die Forscher im Fachblatt „Cell Reports“. Möglicherweise könnte dieser Schutzmechanismus als Vorbild dienen, um eine Krebsprävention zu entwickeln.

„Elefanten erkranken viel seltener an Krebs, als wir aufgrund ihrer Größe erwarten würden. Deshalb wollen wir die genetische Ursache dieser Krebsresistenz verstehen“, sagt Vincent Lynch von der University of Chicago. Sein Forscherteam suchte in den Genomen Afrikanischer Elefanten und ihrer engsten Verwandten, den Seekühen und Klippschliefern, nach Krebsschutzgenen, über die andere Säugetiere nicht verfügen. Frühere Untersuchungen hatten bereits ergeben, dass das Gen für den wichtigsten Tumorsuppressor p53 („Wächter des Genoms“) im Erbgut der Dickhäuter nicht nur in einfacher Ausgabe wie beim Menschen, sondern vervielfacht in 20 Kopien vorliegt. Schon dies verbessert die Reaktion auf irreparable DNA-Schäden, indem das Selbstmordprogramm der betroffenen Zelle aktiviert wird, bevor sie sich zur Krebszelle entwickeln kann.

Jetzt entdeckten die Forscher durch vergleichende Genomanalysen eine weitere Besonderheit: Während sie in sämtlichen 53 anderen untersuchten Säugetierarten – darunter auch langlebige Spezies – jeweils nur ein einzelnes LIF-Gen fanden, identifizierten sie in den Genomen von Seekuh, Klippschliefer und Elefant sieben bis elf Kopien davon. Diese mussten während der Evolution durch mehrere Genverdopplungen entstanden sein. Die zusätzlichen Gene sind bei Seekuh und Klippschliefer allerdings so verändert, dass sie nicht mehr eingeschaltet werden können – die Pseudogene sind tot. Nur bei den Elefanten gibt es eine Genvariante, LIF6, die mit einem neuen DNA-Abschnitt ausgestattet ist, der als Genschalter fungiert, so dass das Gen wieder aktivierbar ist. Diese Aktivierung erfolgt durch das p53-Protein als Reaktion auf eine Schädigung der DNA, wie Experimente mit Kulturen von Elefantenzellen zeigten. Der genaue Mechanismus ist noch nicht aufgeklärt. Wurde das LIF6-Gen in das Erbgut von Mäusezellen übertragen, reagierten diese auf DNA-Schäden genauso schnell wie Elefantenzellen.

Die Funktion des unveränderten LIF-Gens besteht darin, einen Botenstoff zu produzieren, der verschiedene Signalwege aktiviert. Die LIF6-Variante ermöglichte es den Vorfahren der Elefanten vor 25.000 bis 30.000 Jahren, sich trotz zunehmender Körpergröße ausreichend vor Krebs zu schützen. Die genetische Veränderung erlaubte also eine Vergrößerung des Körpers, reichte allein aber dafür nicht aus, sagt Lynch. Wale, Fledermäuse und Nacktmulle haben kein Zombie-LIF-Gen, sind aber trotzdem ungewöhnlich widerstandsfähig gegen Krebs. Sie müssen andere, ähnlich wirksame Schutzmechanismen entwickelt haben, so Lynch. Sein Forscherteam untersucht nun, ob die neuen Ergebnisse auch von klinischer Bedeutung sein könnten. „Vielleicht finden wir eine Möglichkeit, Medikamente herzustellen, die die Wirkung des LIF6-Gens imitieren.“

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