Wie Jetlags oder Schichtarbeit das Krebsrisiko erhöhen

Tickt die innere Uhr nicht mehr synchron zum Tag-Nacht-Rhythmus, erhöht sich die Produktion eines Proteins, das die Teilungsrate von Krebszellen beschleunigt
Die circadiane Uhr tickt im Einklang mit dem natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus.
Die circadiane Uhr tickt im Einklang mit dem natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus.
© qimono (Arek Socha) / pixabay.com, CC0 1.0 Universell (CC0 1.0), https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de
Philadelphia (USA) - Zahlreiche Prozesse im menschlichen Körper sind in ihrer Aktivität normalerweise auf den natürlichen Tag-Nacht-Wechsel abgestimmt. Die Synchronisation erfolgt durch innere Uhren, mit denen alle Körperzellen ausgestattet sind. Gesteuert werden sie durch eine übergeordnete Uhr, die aus speziellen Nervenzellen im vorderen Teil des Gehirns besteht. Ist der sogenannte circadiane Rhythmus gestört – beispielsweise durch Schichtarbeit oder häufige Jetlags – erhöht sich unter anderem das Krebsrisiko. Wie das geschieht, konnten amerikanische Forscher jetzt in Experimenten mit Zellkulturen nachweisen. Demnach beschleunigt ein chronisch gestörter Tagesrhythmus die Rate der Zellteilung und verstärkt so das Tumorwachstum, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „PLoS Biology“. Die neuen Erkenntnisse sind auch für manche Krebsmedikamente von Bedeutung, deren Wirksamkeit davon abhängt, zu welcher Tageszeit sie eingesetzt werden.

„Eine chronische Störung des normalen circadianen Rhythmus‘ verschiebt möglicherweise das Gleichgewicht zwischen tumorunterdrückenden und tumorfördernden Genaktivitäten und begünstigt so das Tumorwachstum“, sagt Amita Sehgal von der University of Pennsylvania in Philadelphia. Aus Tierversuchen war bereits bekannt, dass wiederholte Zeitverschiebungen, wie sie bei Ost-West-Flugreisen auftreten, das Krebswachstum verstärken. Die molekularen Mechanismen, die diesen Effekt hervorrufen, haben Sehgal und ihre Kollegen nun mit Kulturen menschlicher Krebszellen untersucht. Die Zellen waren gentechnisch so verändert, dass die tagesrhythmische Aktivität eines Gens der inneren Uhr mit Hilfe von Biolumineszenz sichtbar wurde und messbar war. In bestimmten zeitlichen Abständen gaben die Forscher das künstliche Steroidhormon Dexamethason in die Nährlösung und simulierten damit eine Zeitverschiebung um acht Stunden.

Unter den zahlreichen Genen, deren Aktivität sich durch die Zeitverschiebung veränderte, waren auch solche, die den Ablauf der Zellteilung steuern. So kam es unter anderem zu einer verstärkten Produktion des Proteins Cyclin D1, das einen Schritt des Zellteilungsprozesses beschleunigt. Das könnte erklären, warum es bei gestörtem circadianem Rhythmus zu einem schnelleren Tumorwachstum kommt. Krebsmedikamente, die den Zyklus der Zellteilungen hemmen, sind in ihrer Wirkung abhängig von der Tageszeit, zu der sie verabreicht werden. Ein Medikament wie Palbociclib, das normalerweise morgens am effektivsten ist, erwies sich bei Zellen mit gestörtem Tagesrhythmus in dieser Zeit als weniger wirksam.

Weitere Untersuchungen sollen zum einen dazu beitragen, die krebsfördernde Wirkung von Jetlags und Schichtarbeit zu verringern. Zum anderen könnten durch einen optimierten Zeitplan beim Einsatz von Krebsmedikamenten spezielle Chronotherapien entwickelt werden. Das würde es auch ermöglichen, die Dosis zu senken und damit Nebenwirkungen zu verringern. Allerdings verfügen nicht alle Typen von Krebszellen über eine (noch) funktionierende innere Uhr, so dass eine Chronotherapie nur bei bestimmten Krebsformen erfolgversprechend wäre.

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