Wie Fische einen Schwarm bilden

Überraschendes Ergebnis: Je kleiner ein Schwarm, desto geordneter schwimmen die Fische
Fische bilden Schwärme, indem sie das Verhalten ihres direkt benachbarten Artgenossens nachahmen.
Fische bilden Schwärme, indem sie das Verhalten ihres direkt benachbarten Artgenossens nachahmen.
© Pritha Kundu, CES, IISc
Bangalore (Indien) - Schwarmbildung bietet Fischen viele Vorteile: Zum einen verringern sie das individuelle Risiko, von anderen Raubfischen gefressen zu werden. Zum anderen steigen die Chancen, einen passenden Paarungspartner zu finden. Nun untersuchte eine indisch-australische Forschergruppe die physikalischen Ursachen, die überhaupt zu einer Schwarmbildung führen. Die Ergebnisse, die die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Nature Physics“ veröffentlichten, widersprechen dabei bisherigen Annahmen grundlegend. So passen sich einzelne Fische nicht der kollektiven Bewegung des gesamten Schwarms an, sondern kopieren nur das Verhalten eines direkt benachbarten Artgenossens.

Eine statistische Analyse bildet die Grundlage für diesen neuen Ansatz zur Erklärung der Schwarmbildung. Denn jedes physikalische Experiment liefert nicht nur eindeutige Daten, sondern auch zufällige Abweichungen. Die Summe dieser Abweichungen wird als Rauschen bezeichnet. „In den meisten Experimenten will man Rauschen, also Fluktuationen der Daten, unterdrücken“, sagt Jitesh Jhawar vom Indian Institute of Science in Bangalore. „Doch in unserer Studie hilft dieses Rauschen, das Verhalten der Fische zu verstehen.“ Physiker sprechen dabei auch vom Effekt der stochastischen Resonanz, die – auf den ersten Blick widersprüchlich – eine Messung nicht stört, sondern ganz im Gegenteil sogar konstruktiv beeinflusst.

Die konstruktive Rolle des Rauschens untersuchten Jhawar und Kollegen an mehreren Experimenten mit Fischschwärmen der Buntbarschart Etroplus suratensis. Sie setzten 15 bis 60 Fische in einen flachen und runden Wassertank mit knapp zwei Metern Durchmesser und filmten das Schwimmverhalten mit einer Kamera. Bei wenigen Fischen wirkte sich ein abweichendes Verhalten einzelner Fischer stark aus, entsprechend eines starken Rauschens. Bei mehr Fischen nahm der Einfluss individuellen Verhaltens und damit das Rauschen ab. Trotzdem koordinierten die Fische in der kleinen Gruppe ihre Bewegungen stärker als die Artgenossen in einer großen Gruppe. Die kleine Gruppe bildete also einen geordneteren Schwarm als die große.

Das Experiment belegte damit, dass individuelles Verhalten einen konstruktiven Einfluss auf die Schwarmbildung hatte. Zusätzlich zu den Versuchen simulierten die Forscher das Schwarmverhalten auch im Computer. Diese Simulationen ergaben, dass jeder Fisch sich höchstens am Verhalten eines einzigen, direkt benachbarten Artgenossens orientierte und dessen Bewegungsrichtung übernahm. Modelle, in denen sich Fische an das Schwimmverhalten des ganzen Schwarms anpassten, zeigten dagegen keine Übereinstimmung mit den Messungen im Wassertank.

„Rauschen ist das Signal zur Schwarmbildung“, sagt Richard Morris von der University of New South Wales in Sydney, der ebenfalls an dieser Studie beteiligt war. Wenn man zufällige Abweichungen bei der Bewegung einzelner Fische komplett ignoriere, könne man die Schwarmbildung überhaupt nicht erklären. „So kann das Verstehen des Rauschens von grundlegender Bedeutung sein, um biologische Systeme zu erklären“, pflichtet ihm Jitesh Jhawar bei. Die Forscher schlagen nun vor, auch bei anderen schwarmbildenden Lebewesen – wie etwa Vögeln oder Heuschrecken – den Einfluss des Rauschens genauer zu untersuchen.

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