Vorbild Spermium: Schwanzschlag treibt winzigen Schwimmroboter voran
„Das ist das Minimum an Konstruktion – nur ein Kopf und ein Streifen“, erklärt Taher Saif, Professor für Mechanik und Ingenieurswesen an der University of Illinois. „Dann kommen die Zellen dazu, interagieren mit der Struktur und machen sie funktionsfähig.“ Saifs Team hatte 2012 bereits einen „laufenden“ Mikroroboter entwickelt, bei dem ein Scheibchen Hydrogel von Herzzellen gebogen wurde und damit auf seinen Kanten vorwärts stakste. Nun konstruierten die Wissenschaftler einen Schwimmkörper aus dem flexiblen Kunststoff Polydimethylsiloxan (PDMS): Das Kopfteil ist nur 57 Mikrometer breit, etwa so dick wie ein menschliches Haar, halb so hoch und 454 Mikrometer lang. Es geht direkt in den Schwanzstreifen über, der nur 7 Mikrometer breit ist, aber 1500 Mikrometer lang – also anderthalb Millimeter.
Ähnlich lang und dünn sind die Geißeln oder Flagellen mancher Bakterien und Einzeller, die ihre „Kopfteile“ durch Schlagen oder schraubenförmiges Drehen durch Flüssigkeiten schieben. Um das Laborkonstrukt in Bewegung zu versetzen, beschichteten Saif und Kollegen den Kopf und Schwanzansatz mit einem Eiweiß, um dort Muskelzellen des Herzens – Kardiomyozyten – anzusiedeln. Im Herzmuskel sorgen diese Zellen für den Herzschlag, doch auch einzelne Zellhäufchen kontrahieren im regelmäßigen Rhythmus. Bei solchem synchronen Sich-Zusammenziehen verbiegen sie immer wieder den feinen Kunststoffstreifen am Ansatz, so dass er leicht ausgelenkt wird – die Biegung setzt sich wellenartig zum Schwanzende fort und sorgt im Wasser für einen winzigen Rückstoß. Weshalb sich die Zellen dabei in Schwimmrichtung ausrichten und wie sie untereinander kommunizieren, ist den Forschern noch unklar. Doch unterm Mikroskop konnten sie zeigen, dass dies geschieht und zum Vortrieb in der Laborschale führt.
„Die Kardiomyozyten kontrahieren und verformen den Streifen, um den Schwimmer mit fünf bis zehn Mikrometern pro Sekunde vorwärts zu bewegen – das entspricht den Modellrechnungen“, schreiben Saif und Kollegen. Als sie einen anderen Schwimmer mit zwei Geißeln ausstatteten, kam dieser sogar mit 81 Mikrometern pro Sekunde voran. Mit mehreren Geißeln wird auch eine gezielte Navigation denkbar – etwa bei künftigen Mikrorobotern, die mithilfe der antreibenden Zellen auf Licht oder chemische Substanzen reagieren. Auf diese Weise könnten sie eines Tages als Transporttaxis zum Einsatz kommen, etwa für Medikamente im Körper oder bestimmte Substanzen in der Umwelttechnik. Letztendlich stehe die Entwicklung noch ganz am Anfang und lege eine Basis, so das Team: „Diese kleinformatigen einfachen Biohybrid-Schwimmer können als Plattform dienen für komplexere biologische Maschinen.“