Strom aus Verdunstung hat enormes Potenzial
„Wir verfügen über die Technologie, um Wind-, Wasser- und Sonnenkraft zu nutzen, aber auch Verdunstung ist vergleichbar leistungsstark“, sagt Ozgur Sahin von der Columbia University in New York. Gemeinsam mit seinen Kollegen schätzte er das Potential der nutzbaren Verdunstungsenergie ab, die alle Seen und Staubecken in den USA ab einer Wasserfläche von einem Zehntel Quadratkilometer bieten. Grundlage ihrer Schätzung ist die Tatsache, dass Verdunstungsprozesse auf der Erdoberfläche etwa die Hälfte der Energie der Sonneneinstrahlung in Anspruch nehmen. Einen Teil dieser bisher nur im natürlichen Wasserkreislauf genutzte Energie könnte laut Sahin mit noch zu entwickelnden Anlagen in elektrischen Strom umgewandelt werden.
Im Detail analysierten sie mit einer hohen lokalen Auflösung Parameter wie Sonneneinstrahlung, Luftfeuchte, Temperatur und Windgeschwindigkeit. Gerade in wärmeren Regionen im Südwesten der USA wie Kalifornien und Arizona ermittelten sie eine Leistungsdichte für Verdunstungsprozesse von bis zu zehn Watt pro Quadratmeter. Dieser Wert entspricht sogar dem Dreifachen der Leistungsdichte von Wind. Verdunstungskraftwerke bräuchten entsprechend einen kleineren Wirkungsgrad, um auf gleicher Fläche die gleiche Stromausbeute zu erreichen. Da zudem Wasser Wärme gut speichert, könnten Verdunstungskraftwerke sogar rund um die Uhr und unabhängig von der aktuellen Witterung laufen.
Das Problem an Sahins Vision liegt darin, dass es noch keine ausgereifte Technologie gibt, um Verdunstungsenergie effizient in Strom umzuwandeln. Doch er konnte bereits mit einem hydromechanischen Aufbau die grundsätzliche Machbarkeit eines Verdunstungskraftwerks belegen. Sein Prototyp besteht aus speziellen Bakteriensporen, die er in einem flexiblen Kunststoffmantel fixierte. In feuchtem Zustand dehnten sich diese Sporen aus, in trockener Umgebung schrumpften sie wieder zusammen. Wechselnde Luftfeuchte führte also zu einer mechanischen Bewegung, die einen Stromgenerator antreiben könnte.
Diese Fasern hängte Sahin in eine kleine Testkammer, die er direkt über eine Wasserfläche setzte. Nahm nun über Verdunstung die Luftfeuchte in der Kammer zu, streckten sich die Fasern. Über eine obere Klappe wurde die feuchte Luft durch die trockenere Luft der Umgebung ausgetauscht und die Fasern zogen sich wieder zusammen. Diese mindestens im Minutentakt erfolgende zyklische mechanische Bewegung konnte einen kleinen Stromgenerator in Rotation versetzen. So lieferte der etwa handgroße Prototyp elektrischen Strom mit einigen Mikrowatt Leistung, gerade genug für eine Leuchtdiode.
Um mit solchen Modulen einen ganzen See zu bedecken, ist der Wirkungsgrad von unter einem Prozent noch viel zu klein. Aber Sahin ist davon überzeugt, dass sich wirkungsvollere Prinzipien für ein Verdunstungskraftwerk noch entwickeln ließen. Doch auch wenn keine großen Steigerungen des Wirkungsgrads gelingen sollten, könnten kleine Verdunstungsmodule genug Strom für autarke Umweltsensoren erzeugen.