Statt Antibiotika: Peptide mit Mehrfachwirkung

„Es ist ein und dasselbe Peptid, das sowohl Mikroben töten als auch schützende Immunreaktionen verstärken und entzündungshemmend wirken kann“, sagt Cesar de la Fuente vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge. Zusammen mit brasilianischen Forschern verbesserten er und seine Kollegen die Wirksamkeit des antimikrobiellen Peptids Clavanin A. Dieses stammt ursprünglich aus der Seescheide Styela clava und besteht aus einer Kette von 23 Aminosäuren. Wie andere AMP auch hat das Molekül positiv geladene und hydrophobe – also wasserabweisende – Abschnitte. Diese chemische Struktur ermöglicht das Durchdringen von Zellmembranen und führt zur Schädigung innerer Zellbestandteile, worauf die bakterizide Wirkung beruht.
Die Forscher fügten dem Clavanin A-Molekül fünf weitere Aminosäuren hinzu und vergrößerten dadurch den hydrophoben Anteil des Peptids. Wie erhofft zeigte die chemisch veränderte, als Clavanin-MO bezeichnete Verbindung nun eine stärkere Wirksamkeit als die Ausgangssubstanz. Für Mäuse, die mit einer tödlichen Dosis multiresistenter Staphylokokken (MRSA) infiziert waren, erhöhte sich durch die Behandlung die Überlebensrate von 40 auf 60 Prozent im Vergleich zur Behandlung mit Clavanin A. Zwei gleichzeitig ablaufende Mechanismen, ein direkter und ein indirekter, erklären die ungewöhnlich schnelle Dezimierung der Erreger: Das Peptid durchlöchert einerseits die Außenmembran der Bakterien und zerstört lebenswichtige Strukturen im Innern. Andererseits sorgt es für eine noch effektivere Keimtötung, indem es bestimmte Immunzellen aktiviert, die ihrerseits die Bakterien angreifen. Zusätzlich löst das synthetische Peptid die Produktion entzündungshemmender Botenstoffe aus, was die Gefahr starker Nebenwirkungen verringert, die in manchen Fällen bei einer antibiotischen Behandlung auftreten.
Ein Mittel, das sowohl antimikrobiell wirkt als auch die körpereigene Abwehr ankurbelt, ist eine erfolgversprechende neue Strategie zur Behandlung schwerer bakterieller Infektionen. Dass bisher keine Schädigung von gesunden Zellen der Tiere beobachtet wurde, spricht für eine gute Verträglichkeit des Wirkstoffs und könnte einen baldigen Beginn klinischer Studien ermöglichen.