Entwaffnen statt töten: Neue Strategie gegen Erreger von Darmentzündung
„Anders als ein Antibiotikum tötet dieser Wirkstoff die Bakterien nicht”, sagt Matthew Bogyo von der Stanford University. Sein Forscherteam suchte nach Substanzen, die gegen eine Clostridium difficile-Infektion wirksam sind, ohne dabei als Kollateralschaden die normale Darmflora zu zerstören. In einem aufwändigen Screeningverfahren testeten die Wissenschaftler 120.000 chemische Verbindungen darauf, ob sie die Aktivierung der Clostridien-Toxine blockieren können. Aus 44 identifizierten Substanzen mit starkem Hemmeffekt wählten sie für die weiteren Experimente die Verbindung Ebselen. Dieser Wirkstoff ist bereits für ganz andere Zwecke – unter anderem zur Behandlung von Hörschäden – getestet und in klinischen Studien am Menschen auf Verträglichkeit geprüft worden, ohne dass starke Nebenwirkungen aufgetreten sind.
Mit Kulturen menschlicher Zellen bestätigten die Forscher, das Ebselen die zelltötende Wirkung der Toxine verhindert. Dann injizierten sie Mäusen eines der Toxine, wobei sie einem Teil der Tiere gleichzeitig Ebselen verabreichten. Ohne diesen Zusatz starben die Tiere nach zwei Tagen, alle anderen waren nach drei Tagen noch am Leben. Schließlich simulierten die Wissenschaftler eine durch Clostridium difficile verursachte Darmerkrankung bei Mäusen, indem sie die Tiere zunächst antibiotisch behandelten, um die Darmflora zu schädigen. Anschließend erfolgte eine Infektion mit einem multiresistenten Stamm des Erregers. Nahmen die Mäuse dann mit der Nahrung Ebselen auf, blieben sie weitgehend von einer Darmentzündung verschont. Ob die Ebselenbehandlung auch ein späteres erneutes Aufflammen der Infektion verhindern kann und inwieweit sich die gestörte Darmflora tatsächlich wieder normalisiert, haben die Forscher noch nicht untersucht. Jetzt sollen, sagt Bogyo, möglichst bald erste klinische Studien beginnen, in denen zunächst die optimale Dosierung des Wirkstoffs geprüft werden muss.
Zurzeit erfolgt die Therapie einer Cl. difficile-Infektion meist durch die Antibiotika Metronidazol oder Vancomycin. Doch bei jedem vierten Patienten kommt es nach vorübergehender Besserung zu einer erneuten Erkrankung. Als hochwirksame alternative Form der Behandlung hat sich inzwischen die Fäkal-Transplantation erwiesen – die Übertragung von Darminhalt eines gesunden Menschen in den Darm eines Erkrankten. Das ermöglicht die schnelle Entwicklung einer normalen Darmflora und hält die Clostridien in Schach. Allerdings birgt dieses Verfahren unkalkulierbare Risiken, da sich gesundheitsschädliche Spätfolgen einer solchen Darmbesiedlung durch „fremde” Keime nicht ausschließen lassen.
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