Entwaffnen statt töten: Neue Strategie gegen Erreger von Darmentzündung

Statt Antibiotika gegen den Krankenhauskeim Clostridium difficile einzusetzen, könnte es effektiver sein, die Toxine dieser Bakterien zu inaktivieren
Clostridium difficile ist ein sporenbildendes Stäbchenbakterium, das in geringer Zahl auch im Darm gesunder Menschen vorkommt.
Clostridium difficile ist ein sporenbildendes Stäbchenbakterium, das in geringer Zahl auch im Darm gesunder Menschen vorkommt.
© V. Altounian/ Science Translational Medicine
Stanford (USA) - Das Stäbchenbakterium Clostridium difficile kommt in geringer Zahl auch im Darm gesunder Menschen vor. Solange seine Vermehrung durch die Überzahl anderer Darmbakterien eingeschränkt wird, verursacht es keine Probleme. Ist die normale Darmflora aber nach einer antibiotischen Behandlung stark geschädigt, können diese Clostridien eine lebensbedrohliche Darmentzündung mit Durchfällen auslösen. Das geschieht, weil sie zwei Toxine produzieren. Die Standardtherapie besteht darin, die Erreger mit speziellen Antibiotika zu bekämpfen. Doch dabei sterben zusätzlich weitere Darmkeime ab – außerdem entwickeln sich möglicherweise hochresistente Clostridien. Beides lässt sich durch eine neue Behandlungsstrategie vermeiden. Sie zielt nicht auf die Erreger selbst, sondern auf deren Toxine. Amerikanische Mediziner haben jetzt einen Wirkstoff entdeckt, der die Toxine blockiert und so bei Mäusen eine Darmentzündung verhindern kann, wie sie im Fachblatt „Science Translational Medicine” berichten. Die Substanz ist auch für Menschen gut verträglich, so dass klinische Studien bald beginnen könnten.

„Anders als ein Antibiotikum tötet dieser Wirkstoff die Bakterien nicht”, sagt Matthew Bogyo von der Stanford University. Sein Forscherteam suchte nach Substanzen, die gegen eine Clostridium difficile-Infektion wirksam sind, ohne dabei als Kollateralschaden die normale Darmflora zu zerstören. In einem aufwändigen Screeningverfahren testeten die Wissenschaftler 120.000 chemische Verbindungen darauf, ob sie die Aktivierung der Clostridien-Toxine blockieren können. Aus 44 identifizierten Substanzen mit starkem Hemmeffekt wählten sie für die weiteren Experimente die Verbindung Ebselen. Dieser Wirkstoff ist bereits für ganz andere Zwecke – unter anderem zur Behandlung von Hörschäden – getestet und in klinischen Studien am Menschen auf Verträglichkeit geprüft worden, ohne dass starke Nebenwirkungen aufgetreten sind.

Mit Kulturen menschlicher Zellen bestätigten die Forscher, das Ebselen die zelltötende Wirkung der Toxine verhindert. Dann injizierten sie Mäusen eines der Toxine, wobei sie einem Teil der Tiere gleichzeitig Ebselen verabreichten. Ohne diesen Zusatz starben die Tiere nach zwei Tagen, alle anderen waren nach drei Tagen noch am Leben. Schließlich simulierten die Wissenschaftler eine durch Clostridium difficile verursachte Darmerkrankung bei Mäusen, indem sie die Tiere zunächst antibiotisch behandelten, um die Darmflora zu schädigen. Anschließend erfolgte eine Infektion mit einem multiresistenten Stamm des Erregers. Nahmen die Mäuse dann mit der Nahrung Ebselen auf, blieben sie weitgehend von einer Darmentzündung verschont. Ob die Ebselenbehandlung auch ein späteres erneutes Aufflammen der Infektion verhindern kann und inwieweit sich die gestörte Darmflora tatsächlich wieder normalisiert, haben die Forscher noch nicht untersucht. Jetzt sollen, sagt Bogyo, möglichst bald erste klinische Studien beginnen, in denen zunächst die optimale Dosierung des Wirkstoffs geprüft werden muss.

Zurzeit erfolgt die Therapie einer Cl. difficile-Infektion meist durch die Antibiotika Metronidazol oder Vancomycin. Doch bei jedem vierten Patienten kommt es nach vorübergehender Besserung zu einer erneuten Erkrankung. Als hochwirksame alternative Form der Behandlung hat sich inzwischen die Fäkal-Transplantation erwiesen – die Übertragung von Darminhalt eines gesunden Menschen in den Darm eines Erkrankten. Das ermöglicht die schnelle Entwicklung einer normalen Darmflora und hält die Clostridien in Schach. Allerdings birgt dieses Verfahren unkalkulierbare Risiken, da sich gesundheitsschädliche Spätfolgen einer solchen Darmbesiedlung durch „fremde” Keime nicht ausschließen lassen.

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