Neuer Fahrplan für die globale Energiewende

„Wir sind mittendrin in der globalen Energiewende“, sagt IRENA Direktor Adnan Amin auf der internationalen Konferenz „Berlin Energy Transition Dialogue“. Drastisch fallende Kosten für Wind- und Solarstromanlagen mit teils unter drei Cent pro Kilowattstunde halfen, dass allein 2017 die installierte Leistung um 167 Gigawatt zunahm und damit das jährliche Wachstum um etwa acht Prozent seit 2010 sogar etwas überflügelt wurde. Der Löwenanteil des Ausbaus fiel auf neue Photovoltaik-Solarparks (94 GW) und Windkraft an Land (43 GW) – nicht nur in Europa, China und den USA, sondern zunehmend auch in vielen weniger stark industrialisierten Staaten.
Doch Amin betont, dass die derzeitigen Ausbaupläne nicht genügten, um das Pariser Klimaziel zu erreichen. Nur noch 790 Gigatonnen Kohlendioxid dürften insgesamt in die Atmosphäre gelangen, um die Zwei-Grad-Schwelle nicht zu überschreiten. Und dieses Budget könnte ohne zunehmenden Ausbau sogar schon in knapp zwanzig Jahren 2037 ausgeschöpft sein. Neben der Stromerzeugung müssten auch die Sektoren Verkehr, Wärme und Industrie stärker von fossilen Energieträgern entkoppelt und elektrifiziert werden. Nur so könne der noch geringe Anteil der Erneuerbaren am Primärenergiebedarf von derzeit 15 Prozent auf knapp 70 Prozent bis zum Jahr 2050 gesteigert werden.
Dieser Wandel gestaltet sich umso anspruchsvoller, da die Weltbevölkerung bis 2050 von heute 7,6 Milliarden Menschen auf knapp zehn Milliarden anwachsen wird. Der Strombedarf wird zusätzlich größer, da Mobilität und Wärmeversorgung mit Elektromotoren und Wärmepumpen zunehmend elektrifiziert werden wird. Kritisch sieht die IRENA-Roadmap die noch geringe Renovierungsrate von Bauten von derzeit etwa einem Prozent pro Jahr. Um den Energiebedarf im Sektor Wohnen weiter zu senken, müsste diese Rate etwa verdreifacht werden.
Die Investitionskosten für die globale Energiewende wirken gigantisch. 93 Billiarden US-Dollar sind bisher für die Zeit bis 2050 veranschlagt. Doch 120 Billiarden US-Dollar seien nötig, um den Ausbau eines klimafreundlichen Energiesystems mit neuen Kraftwerken, Stromnetzen und Speichern zu beschleunigen. 19 Millionen neue Arbeitsplätze prognostiziert die Energieagentur in diesem Sektor. Damit könnte der Wegfall von 7,4 Millionen Jobs im fossilen Energiesektor leicht aufgefangen werden.
Staatliche Subventionen wären für die globale Energiewende aber immer seltener nötig. Schon in wenigen Jahren könnten sich private Investitionen ohne diese Förderung rechnen. „Dieses Ziel haben wir schon fast erreicht“, sagt Amin. Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist von dieser Entwicklung überzeugt und hält eine Finanzierung der erneuerbaren Energien ohne zusätzliche Subventionen in vier bis fünf Jahren für möglich. Den Regierungen fiele dann die Aufgabe einer intelligenten Regulierung des Ausbaus mit verlässlichen Rahmenbedingungen zu, um einen unkontrollierten Wildwuchs im globalen Energiesystem mit zu geringen Auswirkungen auf den Klimaschutz zu vermeiden.
World Energy Outlook 2016: Globale Kehrtwende zu erneuerbaren Energien