Natürliche Bioraffinerie: Holzverwertung im Käferdarm

Der Darm von Zuckerkäfern ist in Abschnitte eingeteilt, in denen unterschiedliche Populationen von Mikroben jeweils andere Schritte beim Abbau von Holz übernehmen – Modell für biotechnologische Verfahren
Mit Hilfe ihrer Darmmikroben können sich Zuckerkäfer von morschem Holz ernähren.
Mit Hilfe ihrer Darmmikroben können sich Zuckerkäfer von morschem Holz ernähren.
© Javier Ceja-Navarro/Berkeley Lab
Berkeley (USA) - Holz fressende Insekten verdanken ihre Ernährungsweise einer Lebensgemeinschaft mit speziellen Mikroben im Darm. Zuckerkäfer bauen morsches Holz schrittweise in separaten Darmabschnitten ab, die jeweils von unterschiedlich spezialisierten Mikroben besiedelt sind, berichten amerikanische Biologen. Der gesamte Käferdarm ist mit einer Bioraffinerie vergleichbar, in der Mikroben in hintereinandergeschalteten Reaktionskammern die Holzbestandteile Zellulose, Hemicellulosen und Lignin in Zuckerbausteine und noch kleinere Moleküle zerlegen. Einen Teil dieser Produkte nutzen die Tiere direkt als Energie- und Baustoffe zum Aufbau körpereigener Substanzen. Der Rest wird ausgeschieden und dient der Ernährung der Larven. Die Käferlarven sind auf diese Versorgung angewiesen, da das Darmmikrobiom bei ihnen noch nicht entwickelt ist, schreiben die Forscher in „Nature Microbiology“. Die genaue Aufklärung des Holzabbaus im Darm könnte dazu beitragen, biotechnologische Anlagen zur Gewinnung von Energie und chemischen Rohstoffen aus Holz zu optimieren.

„Wir haben herausgefunden, dass der Darm des Käfers aus speziellen Abschnitten mit unterschiedlichen Mikrobenpopulationen besteht, die eng zusammenarbeiten – fast wie die Fertigungslinie einer Fabrik“, sagt Eoin Brodie vom Lawrence Berkeley National Laboratory in Berkeley, der Leiter des Forscherteams. Die Schlüsselinnovation bei der Evolution dieses Prozesses habe darin bestanden, biochemische Reaktionen zu kombinieren, die eigentlich nicht kompatibel sind, weil sie teils in sauerstoffreicher, teils in sauerstoffarmer Umgebung ablaufen. So ist eine erhöhte Sauerstoffkonzentration im Mitteldarm Voraussetzung für Zellulosespaltung und Ligninoxidation. Die dickere Darmwand des darauf folgenden Darmabschnitts lässt den Sauerstoffgehalt sinken und ermöglicht eine Wasserstoffproduktion durch Gärung. Im Lauf der Evolution hat sich also die Architektur des Darms so verändert, dass sich nützliche, an die Lebensbedingungen des jeweiligen Ortes angepasste Mikrobenarten ansiedelten.

Für jeden der vier Darmabschnitte des amerikanischen Zuckerkäfers Odontotaenius disjunctus ermittelten die Forscher Artenspektrum und Stoffwechselleistungen der Bakterien. Mit mehreren chemischen Methoden analysierten sie sämtliche Abbauprodukte des Holzes, die mit dem Kot ausgeschieden wurden. Im hinteren Bereich des Darms wandelten Mikroben die als Zwischenprodukte entstandenen Zucker in Essigsäure, Wasserstoff, Äthanol und Methan um. Insgesamt werden damit sehr effizient aus pflanzlicher Biomasse energiereiche Produkte erzeugt. Überraschenderweise war der Stickstoffgehalt des Käferkots deutlich höher als der des verzehrten Holzes. Offenbar beherbergt der Darm im sauerstoffarmen Bereich auch Mikroben, die den Luftstickstoff in organische Verbindungen wie Aminosäuren überführen können.

Der Kot der erwachsenen Käfer enthält noch Nährstoffe, die von den Larven aufgenommen werden. Ungewöhnlich für Käfer, leben diese Insekten in kleinen Gruppen im Innern morscher Baumstämme und versorgen ihren Nachwuchs. Mit dem Kot nehmen die Larven auch die geeigneten Darmmikroben auf, die nach Abschluss der Darmentwicklung die verschiedenen Darmabschnitte dauerhaft besiedeln. Wie die Holz fressenden Termiten übernehmen auch die Zuckerkäfer eine wichtige Rolle im Ökosystem, indem sie sich am Abbau von Totholz und damit am natürlichen Stoffkreislauf beteiligen. Pro Tag frisst ein knapp drei Zentimeter langer Zuckerkäfer mehr als das Vierfache seines Körpergewichts an morschem Holz.

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