Lungenkrebs: Veränderte Artenvielfalt von Bakterien im Mund

Je größer der Artenreichtum und je größer die Population bestimmter Bakteriengruppen des Mund-Mikrobioms, desto geringer das Lungenkrebsrisiko
In der Schleimhaut der Mundhöhle leben etwa 700 Arten von Bakterien.
In der Schleimhaut der Mundhöhle leben etwa 700 Arten von Bakterien.
© FreddyKrueger / Wikimedia Commons, gemeinfrei
New York (USA) - Während Rauchen erwiesenermaßen das Lungenkrebsrisiko erhöht, ist die Bedeutung anderer Faktoren dabei weniger gut untersucht. Jetzt liefern amerikanische Mediziner Hinweise darauf, dass auch Bakterien in der Mundhöhle die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung beeinflussen könnten. Demnach besteht ein Zusammenhang zwischen einer verringerten Artenvielfalt an Mundbakterien und einem erhöhten Krebsrisiko. Auch zwischen den Keimzahlen einzelner Gruppen von Bakterien und dem Krankheitsrisiko war eine statistisch relevante Beziehung nachweisbar, wie die Forscher im Fachblatt „Thorax“ berichten. Ein kausaler Zusammenhang ist möglich, aber nicht erwiesen. Ob also Umweltfaktoren die Vermehrung von Mundbakterien verstärken können, die eine Entstehung von Krebszellen in den Lungen begünstigen oder erschweren, müssen weitere Untersuchungen noch prüfen.

„Etwa ein Viertel aller an Lungenkrebs Erkrankten sind Nichtraucher“, schreiben die Wissenschaftler um Dean Hosgood vom Albert Einstein College of Medicine in New York. Das sei allein durch Faktoren wie Passivrauchen, Strahlenbelastung, Luftverschmutzung und erbliche Vorbelastung nicht zu erklären. Daher untersuchten die Forscher, ob zwischen dem Lungenkrebsrisiko und dem Artenspektrum der Bakterien in der Mundschleimhaut – dem sogenannten Mikrobiom des Mundes – ein Zusammenhang besteht. Denn vom Mund aus könnten Bakterien in die Lunge eindringen und dort krebsauslösende Prozesse in Gang setzen.

Die Wissenschaftler werteten Daten zweier Studien aus, an denen 136.400 Männer und Frauen aus Shanghai teilgenommen hatten. Diese Personen hatten nie geraucht und waren zu Beginn der Studien nicht an Krebs erkrankt. Jeder Proband stellte eine durch Mundspülung gewonnene Probe für eine Analyse zur Verfügung. Durch molekularbiologische Methoden wurden sämtliche darin enthaltenen Arten von Bakterien identifiziert. Alle zwei bis drei Jahre unterzogen sich die Teilnehmer einer medizinischen Untersuchung.

In einem Zeitraum von durchschnittlich sieben Jahren erkrankten 90 Frauen und 24 Männer an Lungenkrebs. Das ursprünglich ermittelte Artenspektrum der Mundkeime dieser Patienten verglichen die Forscher mit dem von gesunden Personen gleichen Alters und Geschlechts. Dabei zeigte sich zum einen, dass die Gesunden eine größere Zahl unterschiedlicher Bakterienarten aufwiesen. Zum anderen hatten sie einen größeren Anteil von Bakterien aus der Gruppe der Spirochaeten und Bacteroidesarten. Bei den Erkrankten dagegen ergaben sich erhöhte Zahlen an Bakterien der sogenannten Firmicutes-Gruppe, darunter insbesondere Milchsäurebakterien und Enterokokken. Das könnte bedeuten, dass eine verstärkte Vermehrung bestimmter Bakterien im Mund das Lungenkrebsrisiko erhöht, während andere Bakterien eine Schutzwirkung entfalten. Die Ergebnisse der Beobachtungsstudie lassen aber keinen Nachweis eines kausalen Zusammenhangs zu.

Es wäre denkbar, dass spezielle Mundbakterien nach starker Vermehrung in die Lunge eindringen und chronische Entzündungen verursachen, die eine Krebsentstehung fördern. Es könnte aber auch sein, dass das veränderte Keimspektrum des Mund-Mikrobioms nicht Ursache, sondern nur Folge einer beginnenden Krebserkrankung ist. Um das zu klären, müsste untersucht werden, wie sich das Artenspektrum im Lauf der Zeit verändert und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen, schreibt David Christiani von der Harvard University in Boston in einem begleitenden Kommentar. Auch der Nachweis, dass Mundbakterien die Lunge für längere Zeit besiedeln können, stehe noch aus. Bis vor Kurzem galt dieses Organ noch als sterile Körperregion.

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