Die Lunge lebt

In die Lunge gesunder Menschen wandern ständig Bakterien aus dem Mund ein – und werden nach kurzer Zeit eliminiert
Die Lunge ist kein keimfreies Organ.
Die Lunge ist kein keimfreies Organ.
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Ann Arbor (USA) - Lange galt es als Dogma, dass die Lunge gesunder Menschen frei von Mikroben ist. Dann wiesen DNA-Analysen Bakterien im Bronchialsekret und in anderen Proben nach, die durch Bronchoskopie entnommen worden waren. Es blieb allerdings umstritten, ob es sich dabei lediglich um Kontaminationen handelte, die beim Einführen des Bronchoskops in die tieferen Atemwege gelangt sind. Jetzt konnten amerikanische Mediziner definitiv zeigen, dass die Lungen Bakterien beherbergen, die beim Einatmen winziger Speicheltröpfchen durch sogenannte Aspiration dahin gelangt sind. Das Artenspektrum entsprach dem der Mundflora und nicht dem der Rachenkeime, berichten die Forscher im Fachblatt „mBio“.

„Wahrscheinlich gelangen durch Aspiration ständig geringe Mengen von Bakterien in die Lungen und solange unser Immunsystem intakt ist, macht uns das nur selten krank“, sagt Erstautor Robert Dickson von der University of Michigan in Ann Arbor. Die Lunge bildet mit ihren Verästelungen die größte Kontaktfläche zwischen Körper und Außenwelt. Diese Grenzfläche der tiefen Atemwege sei mit 70 Quadratmeter 30-mal so groß wie die Fläche der Haut und doppelt so groß wie die der Darmwand, sagt Dickson.

Die Forscher entnahmen jeweils mehrere Proben aus den Lungen von acht gesunden Testpersonen. Dabei nutzten sie neben dem Ausspülen durch bronchoalveolären Lavage das Verfahren der bronchoskopischen Bürstenbiopsie. Dabei bedient man sich eines winzigen Bürstchens, das durch eine Hülle vor Kontaminationen während des Einführens geschützt ist, um Zellen und Sekrete aus den Bronchien zu entnehmen. Auch bei der anschließenden molekularbiologischen Analyse des Probenmaterials wurden mehrere Fehlerquellen eliminiert, die auf Kontaminationen beruhen könnten. Als Vergleich dienten Proben aus Rachen und Mund des jeweiligen Probanden.

Der Keimnachweis anhand der bakteriellen DNA ergab, dass die in den tiefen Atemwegen der Lunge gefundenen Mikroben aus dem Mund dorthin gelangt sein mussten – und nicht durch Verunreinigung beim Einsetzen des Bronchoskops. Spezielle Bakterienarten, die nur in der Lunge, nicht aber in Mund und Rachen vorkommen, fanden die Forscher nicht. Erster „Landeplatz“ von einwandernden Mikroben ist offenbar die Stelle am Ende der Luftröhre, wo die Abzweigung in die beiden Lungenflügel erfolgt. Von da aus gelingt es dann einigen Keimen, über die immer feiner werdenden Verästelungen sogar bis in die Lungenbläschen, die Alveolen, vorzudringen. Im Gegensatz zu den Darm- und Hautkeimen können sich die Mikroben in der Lunge an ihrem Standort nicht vermehren und dauerhaft ansiedeln. Es gibt nur wenig Nährstoffe und sie sind ständig der Immunabwehr ausgesetzt, was nur eine kurze Überlebenszeit zulässt.

„Die gesunden Lungen sind wie eine Insel, deren Population durch ein Gleichgewicht zwischen Einwanderung und Eliminierung bestimmt wird“, sagt Dickson. Ist dieses Gleichgewicht gestört, könnten bestimmte Mikroben längere Zeit die Lunge besiedeln und möglicherweise das Risiko einer Lungeninfektion oder anderer Lungenerkrankungen erhöhen. Zukünftige Arbeiten sollen klären, ob sich die Bakterienpopulation in den Lungen bei einer Atemwegsinfektion verändert, schreiben die Autoren. Auch der Einfluss von Antibiotika oder anderer Medikamente auf das Artenspektrum der Lungenkeime könne nun untersucht werden.

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