Kohlmeisen schlafen lieber bei Dämmerlicht

Lichtverschmutzung durch künstliche Beleuchtung könnte sich auch positiv auf die biologische Fitness von Vögeln auswirken – zumindest bei sehr geringer Beleuchtungsstärke
Die Kohlmeise (Parus major) bevorzugt einen schwach beleuchteten Schlafplatz.
Die Kohlmeise (Parus major) bevorzugt einen schwach beleuchteten Schlafplatz.
© Kristjan Osbek / Creative-Commons-Lizenz (CC BY-SA 3.0), https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de
Wageningen (Niederlande) - Künstliche Beleuchtungen von Straßen und in Wohngebieten stören den natürlichen Hell-Dunkel-Wechsel von Tag und Nacht. Diese Lichtverschmutzung kann bei Menschen und Tieren zu Schlafstörungen führen und weitere negative Auswirkungen auf Gesundheit und Verhalten haben. Doch überraschenderweise stellten niederländische Zoologen jetzt fest, dass Kohlmeisen nachts lieber einen beleuchteten statt einen völlig dunklen Schlafplatz aufsuchen. In ihren Laborexperimenten störte ein schwach beleuchteter Käfig den Schlaf der Vögel nicht, erhöhte aber deren Aktivität während des Tages. Im Freiland könnten die Meisen davon profitieren, bei andauernder nächtlicher Beleuchtung mehr Zeit zur Futtersuche zu haben, schreiben die Forscher in den „Proceedings of the Royal Society B“.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich der Einfluss der Lichtverschmutzung auf Vögel deutlich verringern ließe, wenn die Beleuchtungsstärke abgeschwächt und das Spektrum der Lichtwellen verschoben würde“, erklären die Biologen um Davide Dominoni von der Universität Wageningen. Daraus ergäben sich einfache und klare Richtlinien, die bei der Installation neuer Lampen berücksichtigt werden sollten. Frühere Beobachtungen hatten ergeben, dass sich nächtliche Außenbeleuchtungen mit hellem weißem Licht schädlich auf natürliche Aktivitätsrhythmen, Stoffwechsel, Stressreaktionen und Immunfunktionen von wild lebenden Vögeln auswirken.

Dominoni und seine Kollegen untersuchten nun bei Kohlmeisen, ob diese negativen Effekte vom Wellenspektrum des verwendeten Lichts abhängen. Dazu fingen sie männliche Kohlmeisen ein, von denen 17 im Wald und 18 in der Stadt gelebt hatten. In einer ersten Versuchsreihe setzten sie jeweils einen Vogel in einen Doppelkäfig. Durch ein Loch in der Trennwand konnte die Meise nach Belieben zwischen beiden Räumen wechseln. Tagsüber wurden beide Teile des Käfigs gleichermaßen mit einer hohen Beleuchtungsstärke von 1000 Lux erhellt. In der Nacht sank dieser Wert in einer Käfighälfte auf nur noch 1,5 Lux bei weißem oder grünem Licht, während der andere Teil völlig dunkel blieb. Das Dämmerlicht von 1,5 Lux entspricht in etwa der Beleuchtungsstärke, der frei lebende Vögel in Stadtgebieten ausgesetzt sind. In einem weiteren Doppelkäfig konnten die Vögel zusätzlich noch zwischen einem Schlafplatz mit schwachem grünem oder weißem Licht wählen. Automatische Fotokameras registrierten fünf Nächte lang, in welchem der beiden unterschiedlich beleuchteten Käfighälften sich die Vögel nachts aufhielten. Entgegen den Erwartungen der Forscher bevorzugten die Meisen beim Schlafen die künstliche Beleuchtung gegenüber der Dunkelheit, wobei ihnen grünes Licht lieber war als weißes.

In einer zweiten Serie von Experimenten ermittelten die Biologen, welche Auswirkungen die drei nächtlichen Lichtverhältnisse nach Ablauf von zwei Wochen auf die Tagesaktivität, den täglichen Energieverbrauch, die Schlafqualität und kognitive Fähigkeiten haben. Die erhellte Nacht führte bei weißem Licht zu einem bis zu 30 Minuten früheren Beginn der Tagesaktivität. Bei grünem Licht war dieser Effekt schwächer. Weißes oder grünes Licht bei Nacht verstärkte zudem den täglichen Energieverbrauch, ohne aber den Schlaf zu stören oder Lern- und Gedächtnisleistungen zu schwächen.

Bei den Waldvögeln hatte die nächtliche Beleuchtung – insbesondere durch weißes Licht – einen stärkeren Effekt auf die Aktivitätsrhythmen am Tag als bei den Stadtmeisen. Das könnte auf einer Gewöhnung oder gar Anpassung der städtischen Vogelpopulation an die Lichtverschmutzung ihres Lebensraums beruhen, vermuten die Autoren. Wenn die Beleuchtung bei Nacht schwach genug ist, dann seien nur begrenzte negative Effekte zu erwarten, schließen die Forscher aus ihren Resultaten. Schwaches Licht in der Nacht könnte den Vorteil haben, Insekten anzulocken und die Zeit der Futtersuche zu verlängern. Das würde insbesondere im Winter helfen, die kalten Nächte zu überstehen. Diese Vermutungen müssten nun durch weitere Experimente überprüft werden.

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