Extrem dehnbares Stromkabel
„Stellen Sie sich den Balg eines Akkordeons beim Zusammendrücken vor“, sagt Ray Baughman von der University of Texas in Richardson bei Dallas. Allein durch die zahlreichen Falten wird das inelastische Balgmaterial flexibel. Das dehnbare Stromkabel, das Baughman zusammen mit Kollegen aus China und Brasilien entwickelt hat, nutzt das gleiche Prinzip. Die Forscher griffen zu einem stark dehnbaren etwa zwei Millimeter dicken Gummiband aus einem speziellen Styrol-Polymer. Dieses zogen sie auf die vierzehnfache Länge auseinander. Dann umwickelten sie das Gummiband mit einer dünnen Faserschicht aus mehrwandigen Kohlenstoffnanoröhrchen, ein sogenanntes CNT-Aerogel.
Diese elektrisch sehr gut leitfähige Nanoröhrchenschicht haftete fest am Gummi. Ohne Zugspannung schrumpfte die Faser wieder auf die ursprüngliche Größe zusammen. Dabei bildeten sich in kurzen symmetrischen Abständen zahlreiche Wölbungen aus. Dies hatte den Vorteil, dass die Nanoröhrchenschicht auch nach über 1.000 Dehnungen nicht beschädigt wurde. Die elektrische Leitfähigkeit nahm zwischen erschlafftem und gedehntem Zustand sogar um das 200-Fache zu. Andere bisher entwickelte Flexi-Kabel litten im Unterschied unter verringerter Leitfähigkeit im gedehnten Zustand. „Esist schon bemerkenswert, wie ein einfacher Fertigungsprozess zu leitfähigen Fasern mit solchen Eigenschaften führen konnte“, sagt Baughman.
Dieses Prinzip für ein dehnbares Kabel lässt sich auf Fasern mit unterschiedlichen Durchmessern anwenden. Dünne Kabel könnten für elektrische Kontakte von Robotern, Herzschrittmachern oder in elektronische Kleidung, so genannten Wearables, genutzt werden. Dickere hingegen würden Reisende mit Laptops erfreuen, die so ein nur 30 Zentimeter kurzes Stromkabel bis auf vier Meter ausdehnen und so jeden Kabelsalat verhindern könnten. „Dafür könnten kleine Fasern zu dickeren und leitfähigen Garnen gebündelt werden“, sagt Nan Jiang vom Jiangnan Graphen Research Institute im chinesischen Changzhou, die an den Arbeiten beteiligt war.
Baughman und Kollegen sehen sogar weitere mögliche Anwendungen. So fertigten sie aus ihren Gummi-Nanoröhrchen-Fasern bereits einen empfindlichen Dehnungssensor. Wählten sie einen dielektrischen Gummikern, konnte das Kabel als Kondensator und somit als kleiner Stromspeicher dienen. Zu Spiralen aufgewirbelt ließ sich sogar ein künstlicher Muskel realisieren, der sich abhängig vom Stromfluss selbstständig dehnte und zusammenzog.
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