Der Jagdtrick der Ameisenlöwen

Wie rutschende Sandhänge zur Falle werden: Physiker entschlüsseln komplexe Dynamik granularer Medien
Fangtrichter eines Ameisenlöwens im sandigen Boden: Eine Feuerwanze ist schwer genug, um dem gefährlich rutschenden Hang entkommen zu können.
Fangtrichter eines Ameisenlöwens im sandigen Boden: Eine Feuerwanze ist schwer genug, um dem gefährlich rutschenden Hang entkommen zu können.
© J. Crassous et al., Phys. Rev. Lett. (2017)
Rennes (Frankreich) - Ameisenlöwen sind recht faule Jäger. Geduldig lauern die Insektenlarven auf sandigem Boden im Zentrum kleiner Fangtrichter. Allein der komplexen Physik der Sandhänge ist es zu verdanken, dass bevorzugt ihre Lieblingsspeise – Ameisen – in die tödliche Falle tappen. Größere und kleinere Tiere können dagegen mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Trichter mit dem Durchmesser eines Bierdeckels flüchten. Französische Physiker analysierten die Stabilität der rutschenden Hänge aus körnigem Material wie Sand nun detaillierter. Ihre Ergebnisse, die über die Beschreibung mit bisher verfügbaren Modellen hinausreichen, präsentieren sie im Fachblatt „Physical Review Letters“.

„Die Stabilität eines Objekts auf einer geneigten, körnigen Oberfläche stellt ein raffiniertes Problem dar“, schreiben Jérôme Crassous und seine Kollegen von den Universitäten in Rennes und Tours. Denn ob ein Körper an einem Sandhang abrutscht, hängt nicht allein von seinem Gewicht, sondern auch von der Korngröße, der Hangneigung und den wirkenden Reibungskräften ab. So können kleine Insekten, die weniger als zwei Milligramm wiegen, fast ohne Risiko in einen Fangtrichter eines Ameisenlöwen treten; der sandige Abhang bleibt stabil. Insekten, die schwerer als vier Milligramm sind, bringen den Hang und sich selbst zwar etwas ins Rutschen. Doch werfen sie dabei schnell kleine Sandwälle auf, an denen sie sich abstützen und fliehen können. Nur Ameisen mit zwei bis drei Milligramm Körpergewicht bleibt kaum Hoffnung. Sie rauschen ohne jeden Halt in die Kieferzangen der Ameisenlöwen.

Diesen nur schmalen, für Ameisen aber fatalen Bereich der Instabilität untersuchten Crassous und Kollegen im Labor mit geneigten Hängen aus Glaskörnchen mit Durchmessern zwischen einem und sechs Millimetern. Auf diese Hänge setzten sie kleine, unterschiedlich schwere Metallscheibchen und analysierten die Bedingungen für das Abrutschen. Die Schräge des Hangs entsprach mit knapp 30 Grad dem sogenannten Schüttwinkel, den aufgeschüttete Körnchen abhängig von den Reibungskräften zwischen ihnen bilden.

Die Rutschversuche zeigten klar, dass leichte Metallscheibchen stabil an den Hängen liegen blieben. Etwas schwerere Scheibchen brachten die Körnchen in Bewegung und rutschten ohne Halt hinab. Noch schwerere Objekte jedoch drückten sich etwas tiefer in den Sandhang ein, rutschten ein kurzes Stück und wurden von den vor ihnen aufgeworfenen Sandwällen gestoppt.

Auf der Basis dieser Versuche erweiterten Crassous und Kollegen die bisherigen Modelle zur Stabilität granularer Medien. Damit wollen sie aber nicht nur erklären, warum bevorzugt Ameisen in den Fangtrichtern von Ameisenlöwen enden. Auch für den Bau von Robotern, die auf sandigem Terrain eingesetzt werden, liefern diese Experimente wichtige Aspekte.

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