Cholera-Impfung mit Sofortschutz

Lebendimpfstoff aus gentechnisch veränderten Bakterien wehrt Krankheitserreger ab – Probiotische Milchsäurebakterien töten Erreger durch Säureproduktion im Darm
Eine Kolonie von Lactococcus lactis hemmt das Wachstum von Vibrio cholerae auf der Agarplatte (linke Spalte), nicht aber dann, wenn der Stamm keine Säure freisetzt (rechte Spalte). Gelbfärbung zeigt Säurebildung an (untere Zeile).
Eine Kolonie von Lactococcus lactis hemmt das Wachstum von Vibrio cholerae auf der Agarplatte (linke Spalte), nicht aber dann, wenn der Stamm keine Säure freisetzt (rechte Spalte). Gelbfärbung zeigt Säurebildung an (untere Zeile).
© N. Mao et al., Science Translational Medicine (2018)
Boston / Cambridge (USA) - Mit den derzeit verfügbaren Cholera-Impfstoffen dauert es länger als eine Woche, bis ein Immunschutz aufgebaut ist. In dieser Zeit kann sich eine Epidemie bereits stark ausgebreitet haben. Amerikanische Forscher haben jetzt eine neuartige Impfung entwickelt, die auf zweifache Weise wirken könnte: Die abgeschwächten Cholerabakterien des Lebendimpfstoffs hemmen eine Infektion schon nach einem Tag und bewirken zusätzlich einen immunologischen Langzeitschutz, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Science Translational Medicine“. Im selben Journal berichtet eine zweite Forschergruppe über die Entwicklung von gentechnisch veränderten Milchsäurebakterien für den Einsatz gegen Cholera. Ein Mix der probiotischen Bakterien im Darm ermöglicht zum einen eine schnellere Diagnose und hemmt zum anderen durch Säureproduktion die Vermehrung der Erreger. Beide Verfahren sind bisher allerdings nur in Versuchen mit Kaninchen oder Mäusen getestet worden.

„Wir präsentieren ein völlig neues Konzept in der Impfstoffforschung. Unser zweifach wirksamer Impfstoff löst eine Langzeitimmunantwort aus und vermittelt einen nahezu sofortigen Schutz“, sagt Matthew Waldor von der Harvard Medical School in Boston. Cholera ist eine durch Vibrio cholerae-Bakterien verursachte Durchfallerkrankung, die sich schnell epidemieartig ausbreiten kann. Die Erreger gelangen mit kontaminiertem Trinkwasser in den Darm, wo sie ein Toxin produzieren. Dieses bewirkt einen starken Flüssigkeitsverlust, was ohne schnelle Zufuhr salzhaltiger Flüssigkeit zum Tod führen kann. Bei den zurzeit praktizierten Schluckimpfungen werden mindestens zweimal abgetötete Cholerabakterien verabreicht. Es dauert aber etwa zehn Tage, bis das Immunsystem aktiviert ist und vor einer Infektion schützt.

Die Forscher um Waldor erzeugten einen Lebendimpfstoff aus dem Vibrio cholerae-Stamm HaitiV, der für die Choleraepidemie in Haiti 2010 verantwortlich war. Dazu veränderten sie die Erreger durch gentechnische Methoden so, dass die Bakterien kein Toxin mehr bilden konnten. Wurden diese Impfbakterien jungen Kaninchen verabreicht, besiedelten sie schnell den Darm der Tiere, ohne eine Erkrankung auszulösen. Schon einen Tag nach der Impfung waren die Tiere vor einer ansonsten tödlichen Infektion durch Cholerabakterien des Ausgangsstamms oder eines anderen Stamms teilweise geschützt. Die lebenden Impfbakterien wirkten offenbar wie probiotische Darmbakterien, indem sie die Ausbreitung der Krankheitserreger im Darm verhinderten. Abgetötete HaitiV-Cholerabakterien waren dazu nicht in der Lage. Wenn sich der neue Impfstoff auch beim Menschen als wirksam erweist, könnte eine einzige Impfung genügen, um einen schnell einsetzenden und länger anhaltenden Schutz herzustellen, hoffen die Forscher.

„Es gibt ein wachsendes Interesse daran, probiotische Bakterien zu verwenden, um Krankheiten zu behandeln“, sagt James Collins vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge. Das Ziel seiner Forschergruppe war zunächst, das Milchsäurebakterium Lactococcus lactis gentechnisch so zu verändern, dass es im Darm als lebende Sonde zum schnellen Nachweis einer Cholerainfektion genutzt werden kann. Im zweiten Schritt sollten die Laktokokken auch Substanzen freisetzen, die gezielt die Erreger abtöten. Ein einfach durchführbarer Erregernachweis – auch bei symptomlosen Infektionen – würde frühzeitige Schutzmaßnahmen ermöglichen, um drohende Epidemien einzudämmen. Lactococcus lactis wird zur Produktion verschiedener Milchprodukte eingesetzt und ist gesundheitlich unbedenklich.

Die Forscher veränderten das Erbgut der Bakterien so, dass sie bei Kontakt mit Choleravibrionen ein Enzym aktivierten, das sich durch eine Farbreaktion in einer Stuhlprobe nachweisen lässt. Durch Zufall stellten sie fest, dass bereits der Ausgangsstamm der Laktokokken ausreichende Mengen an Milchsäure freisetzt, um Choleraerreger abzutöten. Ein oral verabreichter Mix aus natürlichen und genetisch veränderten Milchsäurebakterien, die den Darm besiedeln, könnte also gleichzeitig eine Cholera diagnostizieren und die Erreger bekämpfen. Tatsächlich erhöhten die Laktokokken im Darm junger Mäuse die Überlebensrate nach einer Cholerainfektion. Die probiotischen Milchsäurebakterien könnten von Menschen in Form einer Pille oder mit einem Trinkjoghurt eingenommen werden, sagt Collins. Auf gezielte Weise gentechnisch veränderte Milchsäurebakterien wären auch zur Behandlung anderer Darmerkrankungen geeignet, zum Beispiel bei antibiotikaresistenten Darminfektionen durch Clostridium difficile.

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