Probiotische Bakterien: Warum manche bleiben und andere nicht

„Wir betrachten die Gesamtheit der Darmbakterien als ein komplexes Ökosystem, dessen Zusammensetzung durch ökologische Prozesse streng reguliert ist“, sagt Jens Walter von der University of Alberta in Edmonton, der Leiter des Forscherteams. „Anstatt Erdbeeren in den Regenwald zu pflanzen, verpflanzen wir eine echte Dschungelpflanze, die viel besser an dieses Ökosystem angepasst ist.“ So enthielten die meisten kommerziellen Präparate probiotischer Bakterien Lactobacillus- oder Bifidobacterium-Arten, die gar nicht zum Kernbestandteil der menschlichen Darmflora zählen. Diese Bakterien hätten zwar im Darm eine hohe Überlebensrate während der Zeit, in der sie eingenommen werden. Sie seien aber schon zwei Wochen nach Abbruch der Einnahme nicht mehr als Darmbewohner nachweisbar.
Die Forscher wählten für ihre Studie einen bestimmten Stamm von Bifidobacterium longum. Dieser unterschied sich in einigen Genen von anderen Varianten derselben, im Darm gesunder Menschen häufig vorkommenden Spezies. Zwei Wochen lang nahmen 23 gesunde Testpersonen täglich ein Präparat mit jeweils 10 Milliarden der Bakterien ein. DNA-Analysen von Stuhlproben während des Behandlungszeitraums ergaben bei allen Probanden, dass lebende Bifidobacterium longum-Bakterien in den Darm gelangten. Es traten keine Nebenwirkungen auf. Nach dem Ende der Behandlung nahm die durchschnittliche Keimzahl in unterschiedlichem Ausmaß ab. Bei einem Drittel der Testpersonen ließen sich die Bakterien noch mindestens sechs Monate lang im Stuhl nachweisen. Bei den anderen waren sie nach ein bis vier Wochen schon wieder verschwunden.
Demnach gibt es Menschen, in deren Darm sich Bifidobacterium longum dauerhaft ansiedeln lässt, und andere, bei denen das nicht gelingt. Darmkeimanalysen vor der probiotischen Behandlung zeigten: Die Besiedlung war dann erfolgreich, wenn der Darm nur eine geringe Zahl an Bifidobacterium longum-Bakterien beherbergte. Andernfalls konnten sich neu hinzukommende Bakterien dieser Spezies nicht auf Dauer gegen die Überzahl der bereits vorhandenen Artgenossen behaupten. Ist die ökologische Nische einer Keimart besetzt, haben Neuankömmlinge keine Chance. Eine Behandlung mit probiotischen Bakterien setzt demnach eine personalisierte Therapie voraus, die es ermöglicht, genau die fehlenden Darmkeime zu verabreichen.
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