Wie Muskeltraining gegen Depressionen wirkt

Körperliche Aktivität verändert den Stoffwechsel in Muskelzellen und verhindert, dass eine schädigende Aminosäure in das Gehirn gelangt
Ausdauertraining wirkt gegen Depressionen.
Ausdauertraining wirkt gegen Depressionen.
© Shutterstock, Bild 164800463
Stockholm (Schweden) - Körperliches Training wird schon länger zur Behandlung depressiver Störungen eingesetzt. Aber wie diese Therapie wirkt, haben schwedische Forscher erst jetzt herausgefunden. Sie untersuchten Mäuse, die nach Dauerstress depressive Symptome zeigten. Bei den Tieren war der Gehalt an Kynurenin im Blut erhöht. Diese Aminosäure entsteht bei Stress in der Muskulatur und kann Hirnfunktionen schädigen und psychische Erkrankungen begünstigen. Durch starke körperliche Aktivität der Mäuse im Laufrad veränderte sich im Verlauf mehrerer Wochen der Stoffwechsel in den Skelettmuskeln. So wurden vermehrt bestimmte Enzyme produziert, die das Kynurenin in eine Form umwandelten, die nicht mehr aus dem Blut in das Gehirn gelangen konnte. Dadurch verringerte sich das depressive Verhalten der Tiere. Dementsprechend waren genetisch veränderte Mäuse mit dauerhaft niedrigem Kynurenin-Blutspiegel deutlich weniger anfällig für stressbedingte Depressionen. Wirkstoffe, die den Kynurenin-Blutspiegel senken, könnten daher eine völlig neue Therapieform für diese psychische Störung ermöglichen, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Cell“.

„Unsere Ausgangshypothese war, dass ein trainierter Muskel eine Substanz produziert, die einen positiven Effekt auf das Gehirn hat. Aber wir fanden das Gegenteil: Der Muskel produziert Enzyme, die schädliche Substanzen aus dem Körper entfernen“, sagt Jorge Ruas vom Karolinska Institut in Stockholm, einer der leitenden Forscher der Arbeitsgruppe. Eine häufig beanspruchte Muskulatur übernähme demnach, so Ruas, zum Schutz des Gehirns eine vergleichbare Reinigungsfunktion wie Nieren und Leber für den gesamten Körper.

Die Wissenschaftler erzeugten depressives Verhalten bei Mäusen, indem sie die Tiere fünf Wochen lang Stress aussetzten. Dazu zählten laute Geräusche, blinkende Beleuchtung und unregelmäßiger Tag-Nacht-Rhythmus. Unter dem Einfluss der Stressfaktoren wurde in den Skelettmuskeln vermehrt Tryptophan abgebaut, wobei Kynurenin entsteht. Dieses gelangt mit dem Blut ins Gehirn, überwindet die Blut-Hirn-Schranke, verändert die Funktion von Nervenzellen und löst depressive Stimmungen aus. Nach einem mehrwöchigen Training im Laufrad produzierten die Muskelzellen verstärkt das Protein PGC-1alpha1, das die Bildung von Enzymen anregte, die Kynurenin in Kynurensäure umwandelten. Dieses Produkt ist nicht mehr in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu durchdringen. Andere Untersuchungen haben gezeigt, dass körperliche Aktivität auch beim Menschen die Produktion von PGC-1alpha1 und von Kynurenin-abbauenden Enzymen in den Skelettmuskeln bewirkt.

Genetisch veränderte Mäuse, die dauerhaft übermäßig viel PGC-1alpha1 produzierten, hatten auch unter anhaltenden Stressbedingungen einen niedrigen Kynureninspiegel und entwickelten kein depressives Verhalten. „Unsere Arbeit könnte neue Möglichkeiten der Behandlung von Depressionen eröffnen”, sagt Ruas. Anstatt Antidepressiva einzusetzen, die im Gehirn wirksam sind, wären Medikamente denkbar, die gar nicht in das Gehirn eindringen, sondern auf den Stoffwechsel der Muskelzellen abzielen. Wenn damit ein Anstieg der Kynureninproduktion in der Muskulatur verhindert werden könnte, käme es auch nicht zum damit verbundenen schädigenden Einfluss auf Gehirnfunktionen und einer depressiven Störung.

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