Warum Vogelmütter ihre eigenen Eier zerstören

Werden die Nester afrikanischer Webervögel durch Schlangen geplündert, beseitigt das Weibchen das restliche Gelege und beginnt eine neue Brut
Marmorweber (Pseudonigrita arnaudi) brüten in Kolonien.
Marmorweber (Pseudonigrita arnaudi) brüten in Kolonien.
© Steve Garvie / Creative-Commons-Lizenz (CC BY-SA 2.0), https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/deed.de
New York (USA) - Bei einigen in Gruppen lebenden Tieren kann es aufgrund von sozialem Stress zum Infantizid kommen, zur Tötung von Jungen eines Artgenossen. In Kolonien einer Art afrikanischer Webervögel hat eine solche „Kindstötung“ während der Brut, das heißt die Zerstörung von Eiern, meist eine andere Ursache, wie amerikanische und taiwanische Forscher jetzt berichten. Wird das Gelege eines Vogelpaars durch Nesträuber stark dezimiert, zerstört das Weibchen auch noch die restlichen Eier und beginnt eine neue Brut. Dieses Verhalten sorgt letztlich für eine größere Zahl an Nachkommen und erhöht damit die biologische Fitness, schreiben die Biologen im Fachblatt „Biology Letters“.

„Es mag unverständlich erscheinen, dass Vogeleltern ihre eigenen Eier zerstören“, schreiben die Forscher um Yi-Ru Cheng von der Columbia University in New York. Doch für die biologische Fitness der Marmorweber (Pseudonigrita arnaudi) sei ein ganz neues Gelege vorteilhafter, als die durch Nesträuber verkleinerte Brut fortzusetzen. Ein solcher Zusammenhang war bereits vermutet, aber bisher noch nicht bestätigt worden. Eine alternative Reaktion bestünde darin, das von Eierräubern heimgesuchte Nest einfach zu verlassen und eine neue Brut in einem neuen Nest zu beginnen. Das wäre aber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand an Zeit und Energie verbunden, zumal die Vögel ihr aufwendig gebautes Nest nicht nur zur Brutzeit, sondern das ganze Jahr über auch als Ruheplatz nutzen.

Die Biologen beobachteten mehrere Jahre lang das Verhalten von Marmorwebern an drei Brutplätzen mit insgesamt 436 Nestern in Kenia. Die in Kolonien brütenden Webervögel bauen große, kugel- bis flaschenförmige Nester aus Grashalmen, die eng benachbart, mit Eingängen an der Unterseite, an Baumästen hängen. Im Schnitt besteht ein Gelege aus drei Eiern, die zwölf Tage bebrütet werden. Häufig werden sie zur Beute der Afrikanischen Eierschlange Dasypeltis scabra. Nach der ersten Eiablage installierten die Forscher eine Infrarotkamera in dem jeweiligen Nest. Bei 178 von 800 registrierten Gelegen wurde mindestens ein Ei von einem Vogel zerstört.

In 78 Prozent von 72 per Video aufgezeichneten Fällen war einer der Elternvögel – fast immer das Weibchen – für den Verlust des Eis verantwortlich. In den anderen Fällen, ausgelöst durch sozialen Stress, war ein in der Nachbarschaft brütender Vogel der Schuldige. Wenn ein Elternteil das eigene Ei zerstörte, geschah das in 88 Prozent der Fälle nach einem Verlust von ein oder zwei Eiern durch eine Schlange. Dass die Zerstörung von Eiern als Ursache des Infantizids anzusehen ist, bestätigten die Biologen, indem sie aus zwölf Nestern jeweils zwei von drei Eiern entfernten: Innerhalb von zwei Tagen zerstörte dann mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Elternvogel das übrig gebliebene Ei. Anstatt das einzig verbliebene Ei des aktuellen Geleges weiter auszubrüten, so folgern die Autoren, sei es nach der biologischen Kosten-Nutzen-Bilanz vorteilhafter, eine neue Brut mit drei Eiern zu beginnen.

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