Vorteil für Bitterschmecker

Wer auf bittere Geschmacksstoffe empfindlicher reagiert als andere, kann Infektionen der Atemwege wahrscheinlich besser abwehren
Das Röntgenbild des menschlichen Schädels zeigt die Nasennebenhöhlen.
Das Röntgenbild des menschlichen Schädels zeigt die Nasennebenhöhlen.
© Hellerhoff / Creative Commons (CC BY-SA 3.0), http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en
Philadelphia (USA) - Ein bitterer Geschmack warnt uns vor dem Verzehr verdorbener oder giftiger Nahrung. Dieselben Proteine, sogenannte Rezeptoren, die als Bestandteil der Geschmacksinneszellen im Mund diese Wahrnehmung vermitteln, lassen sich auch in der Schleimhaut der Atemwege nachweisen. Dort haben sie eine ganz andere Funktion: Sie helfen, Bakterien zu erkennen und abzuwehren, berichten jetzt amerikanische Forscher. Die Bitter-Rezeptoren reagieren nämlich auch auf Signalstoffe von Bakterien und setzen Reaktionen der lokalen angeborenen Immunabwehr in Gang, die eine Nasennebenhöhlenentzündung (Sinusitis) verhindern. Wer bestimmte Bitterstoffe nicht schmecken kann, weil der dazu nötige Rezeptor nicht funktioniert, erkrankt daher wahrscheinlich auch eher an einer chronischen Sinusitis. Eine Studie sollte nun klären, ob ein einfacher Geschmackstest solche besonders gefährdeten Menschen identifizieren könnte, schreiben die Wissenschaftler im „Journal of Clinical Investigation“.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Rezeptor T2R38 eine Wächterfunktion für die angeborene Immunabwehr in den oberen Atemwegen hat. Und seine genetisch bedingten Variationen tragen dazu bei, dass es individuelle Unterschiede in der Anfälligkeit für Atemwegsinfektionen gibt“, erklären Noam Cohen von der University of Pennsylvania in Philadelphia und seine Kollegen. Die Forscher experimentierten mit Gewebekulturen menschlicher Schleimhautproben aus Nase und Nasennebenhöhlen, die bei Operationen entnommen worden waren. Darin ließen sich Rezeptorproteine vom Typ T2R38 nachweisen, die im Mund das Empfinden von bitterem Geschmack auslösen.

Die Rezeptoren der im Labor kultivierten Schleimhautzellen reagierten auch auf den Botenstoff Acyl-Homoserin-Lacton (AHL), der von Pseudomonaden und anderen Bakterien bei der Bildung eines Biofilms freigesetzt wird. Der Biofilm ist eine Schleimschicht, in der die Mikroben vor Immunzellen und Antibiotika geschützt sind. Diesen Beginn einer chronischen Infektion verhindern die aktivierten Rezeptoren, indem sie die Bewegung der Flimmerhaare der Schleimhautzellen verstärken und weitere Abwehrmaßnahmen auslösen. „Das ist wirklich wie moderne Kriegsführung: Störe schon früh die Kommunikation des Feindes, um seine Pläne zu durchkreuzen und die Schlacht zu gewinnen“, sagt Cohen. Genetisch veränderte Pseudomonaden, die kein AHL mehr produzieren konnten, aktivierten auch den Rezeptor nicht mehr.

Beim Menschen kommen verschiedene genetische Varianten des Bitter-Rezeptors T2R38 vor. Das erklärt, warum jeder Vierte – die Super-Schmecker – sehr empfindlich auf bestimmte Bitterstoffe reagiert, während ein anderes Viertel – die Nicht-Schmecker – diese Geschmackstoffe gar nicht wahrnimmt. Die meisten Menschen sind Normal-Schmecker mit mittlerem Geschmacksempfinden für das Bittere. Die Forscher konnten nun zeigen, dass der Rezeptortyp der Super-Schmecker auch wesentlich stärker auf die bakteriellen AHL-Botenstoffe anspricht als Rezeptoren der Nicht-Schmecker. Tatsächlich hatte keiner der Spender von Schleimhautproben mit Super-Schmecker-Rezeptor eine durch Pseudomonaden oder andere gramnegative Bakterien verursachte Sinusitis.

Die Wissenschaftler vermuten, dass auch andere Botenstoffe von anderen Bakterienarten Bitter-Rezeptoren aktivieren, die Abwehrreaktionen in den Schleimhäuten der Atemwege auslösen. Bei Patienten mit chronischer bakterieller Nasennebenhöhlenentzündung könnte die Wächterfunktion der Bitter-Rezeptoren zu schwach sein. Möglicherweise lassen sich Menschen, die für diese Erkrankung besonders anfällig sind, daran erkennen, dass sie Bitterstoffe wie Phenylthiocarbamid (PTC) nicht schmecken können. Dann könnte ein Geschmackstest bei der Diagnose helfen. Wenn sich inaktive Rezeptoren aktivieren lassen, wäre das auch eine Möglichkeit, neue Therapien für die Betroffenen zu entwickeln.

© Wissenschaft aktuell
Weitere Artikel zu diesem Thema:
Bittere Medizin gegen Asthma
Bittere Geschmacksbremse


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg