Bittere Geschmacksbremse

Ein Protein pumpt Kalziumionen aus Zellen der Geschmacksknospen und bringt damit die angeregten Sinneszellen wieder in den Ruhezustand
Lage von Geschmacksknospen für Bitterstoffe auf der Zunge
Lage von Geschmacksknospen für Bitterstoffe auf der Zunge
© Grays Anatomy (1918) / Rainer Zenz
Philadelphia (USA) - Bitterstoffe in der Nahrung regen Sinneszellen im Mund dazu an, Nervensignale an das Gehirn zu senden. Jetzt haben US-amerikanische Forscher entdeckt, was die angeregten Zellen der Geschmacksknospen wieder abschaltet: ein Protein, das Kalziumionen aus dem Zellplasma pumpt. Mäuse, denen dieses Protein fehlt, reagierten dementsprechend übermäßig stark auf Bitterstoffe, schreiben die Wissenschaftler im Online-Journal "PLoS ONE". Wahrscheinlich werden auch aktivierte Sinneszellen, die andere Geschmacksqualitäten registrieren, durch ähnliche Proteine wieder in ihren Ruhezustand versetzt. Damit ist dieser Mechanismus ein wichtiger Teil des Geschmacksinns.

"Die neuen Erkenntnisse helfen uns besser zu verstehen, wie Geschmacksempfindungen kontrolliert werden", sagt Liquan Huang vom Monell Chemical Senses Center in Philadelphia. Wie die Empfindung der unterschiedlichen Geschmacksqualitäten süß, sauer, salzig, bitter und umami (eiweißreich, herzhaft) ausgelöst wird, ist bereits gut untersucht. Aber genauso wichtig für die Wahrnehmung eines Geschmacks sei es, so Huang, dass die Erregung einer Sinneszelle auch wieder abklingt. Diesen bisher ungeklärten Vorgang haben Huang und seine Kollegen am Beispiel des Bittergeschmacks erforscht.

Ein Bitterstoff lagert sich im Mund an spezielle Proteine von Sinneszellen, die Rezeptoren, an und bewirkt damit, dass Kalziumionen in das Zellplasma einströmen. Dies löst einen Nervenimpuls aus, der an das Gehirn weitergeleitet wird. Neben den Zellen mit Bitter-Rezeptoren gibt es auch solche mit Rezeptoren für "süß" und "umami". Die Reaktion auf saure und salzige Stoffe erfolgt über andere Mechanismen. Mit Hilfe molekularbiologischer Techniken identifizierten die Forscher bei Mäusen nun ein Protein (Serca3), das als Kalziumpumpe agiert: Es bringt die erhöhte Kalziumkonzentration der durch Bitterstoffe angeregten Sinneszellen wieder auf den niedrigen Ausgangswert zurück. Genetisch veränderte Mäuse, denen das Gen für das Serca3-Protein fehlte, reagierten empfindlicher auf geringste Mengen bitterer Substanzen und empfanden den Geschmack im Vergleich zu normalen Tieren als viel unangenehmer. Die Empfindungen für süß und umami hatten sich nur leicht verstärkt, der Geschmack von salzig und sauer blieb unverändert. Die Wissenschaftler vermuten, dass andere Serca-Proteine, die wie Serca3 als Kalziumpumpe wirken, auch die Empfindungen von umami und süßem Geschmack regulieren.

Durch Mutationen könnte die Funktion von Serca-Proteinen beeinträchtigt sein. Das würde erklären, warum Menschen den Geschmack einer Nahrung unterschiedlich beurteilen und verschiedene Geschmacksvorlieben haben. Auch die Ursache für Geschmacksveränderungen, die als Nebenwirkung bei Einnahme bestimmter Medikamente auftreten, ließe sich möglicherweise durch eine veränderte Aktivität von Serca-Proteinen erklären, sagt Huang. Sollte sich das bestätigen, könnten Maßnahmen ergriffen werden, um die Verträglichkeit von Arzneistoffen zu verbessern.

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Quelle: "Sarco/Endoplasmic Reticulum Ca2+-ATPases (SERCA) Contribute to GPCR-Mediated Taste Perception", Naoko Iguchi et al.; PLoS ONE (im Druck)


 

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