Vom Wolf zum Hund - komplizierte Verwandtschaftsverhältnisse

Die Domestizierung des Haushundes scheint komplexer vonstatten gegangen zu sein als bisher vermutet
Wie aus dem Wolf der beste Freund des Menschen wurde, ist komplizierter als gedacht.
Wie aus dem Wolf der beste Freund des Menschen wurde, ist komplizierter als gedacht.
© U.S. Fish and Wildlife Service
Chicago (USA) - Er gilt als der beste Freund des Menschen: der Haushund. Man weiß aber immer noch verhältnismäßig wenig darüber, wie genau der Mensch eigentlich auf den Hund kam. Bislang ist nicht eindeutig geklärt, wann, wo und wie der Haushund einst aus dem Wolf hervorging. Diverse Untersuchungen kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Und immer mehr Studien geben Hinweise darauf, dass dieser Prozess nicht erst mit der Sesshaftwerdung der Menschen und den ersten Bauern seinen Anfang nahm, sondern dass die frühesten Haushunde bereits mit Jägern und Sammlern durch die Gegend streiften. Diese Hypothese wird nun auch von Genanalysen unterstützt, über die ein internationales Forscherteam im Fachblatt „PLoS Genetics“ berichtet. Ihre Ergebnisse legen unter anderem nahe, dass sich die Linien von Wolf und Hund vor etwa 11.000 bis 16.000 Jahren getrennt haben müssen. Sie zeichnen insgesamt ein detaillierteres Bild des Ursprungs des Haushundes als die meisten bisherigen Studien. Die genaueren Verwandtschaftsverhältnisse scheinen demnach allerdings alles andere als unkompliziert zu sein.

„Die Domestizierung des Haushundes ist weit komplexer als wir ursprünglich gedacht haben“, sagt John Novembre von der University of Chicago, der Seniorautor der Studie. „In dieser Analyse finden wir keine eindeutigen Beweise für ein multiregionales Modell oder einen einzigen Ursprung von einem der lebenden Wölfe, von denen wir Proben hatten.“ Die Forscher hatten Gensequenzen von drei Wölfen sequenziert, die aus China, Kroatien und Israel stammten - und damit aus Gegenden, die als Ursprung des Haushundes in Frage kommen könnten. Ebenso analysierten sie das Erbgut von zwei sehr urtümlichen Hundearten, Basenji und Dingo. Diese stammen aus Zentralafrika beziehungsweise Australien und sind von heute lebenden Wolfspopulationen schon lange abgeschnitten. Außerdem bezogen die Genetiker bereits bestehende Erbgutanalysen eines europäischen Boxers in ihre Untersuchungen mit ein. Als weiterer Vergleich diente ihnen das Erbgut eines Goldschakals, der innerhalb der Hunde einen Außenseiter zu Wölfen und Haushunden darstellt.

Am nächsten miteinander verwandt, das zeigen die Analysen, sind die Haushundrassen. Doch keine der Wolfslinien aus den möglichen Ursprungszentren eignet sich als Ursprungspopulation für Hunde. Auch die Wölfe aus den unterschiedlichen Regionen sind untereinander näher verwandt als mit den Haushunden. Es scheint eher so, als würden die Haushunde von einem älteren, wolfsähnlichen Vorfahren abstammen, der beiden Arten – Wolf und Haushund – gemeinsam ist. „Wenn man also fragt, welchen Wölfen diese Haushunde am nächsten stehen, ist es keiner dieser drei, weil dies Wölfe sind, die sich erst in der jüngsten Vergangenheit auseinander entwickelt haben. Es ist etwas älteres, das von heutigen Wölfen nicht sonderlich gut repräsentiert wird“, erläutert Novembre. „Eine Möglichkeit ist, dass es andere Wolfslinien gegeben haben könnte, aus denen sich diese Haushunde entwickelt haben, und die dann ausgestorben sind.“ Auf der anderen Seite zeigen die Analysen, dass der Genfluss – also der Austausch genetischen Materials – zwischen den Vertretern der Familie der Hunde (Canidae) weiter verbreitet ist als bislang angenommen. Dies könnte eine zentrale Rolle dabei gespielt haben, wie sich die unterschiedlichen Hunde auseinander entwickelt haben.

Außer den Verwandtschaftsverhältnissen hatten die Forscher noch das Vorkommen eines bestimmten Gens untersucht, das die Informationen für ein Enzym enthält, welches eine Schlüsselrolle für die Verdauung von Stärke spielt. Dabei zogen sie noch Erbgutanalysen von zwölf weiteren Haushundrassen hinzu. Diese Untersuchungen legen nahe, dass die frühen Haushunde noch keine guten Stärkeverwerter waren. Das spricht dafür, dass sie eine Ernährung mit viel Fleisch und wenig Getreide hatten, was ebenfalls ein Hinweis auf ein Leben mit Jägern und Sammlern ist.

Kürzlich erst hatte ein internationales Forscherteam in „Science“ berichtet, dass Europa mit hoher Wahrscheinlichkeit die Wiege des Haushundes darstellt. Ihre umfangreichen Analysen des mitochondrialen Erbguts hatten gezeigt: Die Domestizierung des Haushundes nahm vermutlich im europäischen Raum ihren Anfang, und zwar vor 18.800 bis 32.000 Jahren. „Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass domestizierte Haushunde die Krönung eines Prozesses sind, der mit den europäischen Jägern und Sammlern und den Canidae, mit denen diese interagierten, begann“, erklärten Olaf Thalmann von der Universität Turku und seine Kollegen. „Möglicherweise haben die Ur-Hunde einen Vorteil von Kadavern gehabt, die frühe Jäger zurückgelassen haben, beim Fangen von Beute geholfen oder bei erfolgreicher Jagd auch Verteidigung gegen große, konkurrierende Räuber geboten.“

Die Berechnungen von Thalmann und Kollegen legen nahe, dass sich Haushund und Wolf vor mehr als 15.000 Jahren auseinander entwickelten. Auch sie kommen damit zu dem Ergebnis, dass das Zähmen des Wolfes vielmehr mit dem Leben als Jäger und Sammler einherging als mit der Sesshaftwerdung des Menschen. Ihre Untersuchungen hatten ergeben, dass das mitochondriale Erbgut aller modernen Haushunde am nächsten mit dem von alten oder modernen Hunden Europas verwandt ist. Zu den DNA-Sequenzen von Wölfen außerhalb Europas war die Ähnlichkeit dagegen eindeutig weniger groß. Alles in allem wird das Bild von der Domestizierung des Haushundes zwar nach und nach deutlicher. Ebenso deutlich wird aber auch, dass diese Entwicklung offenbar weit komplexer war als gedacht.

HINTERGRUND
Sowohl der Haushund als auch der Wolf gehören ebenso wie der Fuchs systematisch zur Familie der Hunde (Canidae). Die Überfamilie der Hundeartigen (Canoidea) wiederum umfasst außer den Hunden noch weitere Familien – darunter Bären (Ursidae) und Kleinbären (Procyonidae), Kleine Pandas (Ailuridae), Marder (Mustelidae) und Robben (Pinnipedia).

© Wissenschaft aktuell
Quelle: „Genome Sequencing Highlights the Dynamic Early History of Dogs”, John Novembre et al.; PLoS Genetics, Ausgabe vom 16. Januar


 

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