Stechmücken: Evolution des Wirtswechsels vom Tier zum Menschen

„Unser Lebensstil ist für Stechmücken ideal: Wir haben immer Wasser in der Nähe, das sie für die Brut benötigen, wir sind haarlos und wir leben in großen Gruppen“, sagt Leslie Vosshall von der Rockefeller University in New York. Nur etwa ein Prozent aller Arten blutsaugender Insekten hat es speziell auf den Menschen abgesehen. Diese Arten sind im Lauf der Evolution aus Arten mit tierischen Wirten hervorgegangen. Wie ein solcher Entwicklungsschritt abgelaufen sein könnte, haben Vosshall und ihre Kollegen bei Gelbfiebermücken erforscht. In einer Küstenregion Kenias kommen zwei Unterarten dieser Mücken vor. Die Weibchen von Aedes aegypti formosus sind schwarz gefärbt, legen ihre Eier in Tümpeln der Waldgebiete ab und saugen Blut von Tieren. Die Weibchen der Unterart Aedes aegypti aegypti nutzen zur Eiablage Wasserstellen und -behälter in der Nähe menschlicher Siedlungen und stechen bevorzugt Menschen. Die Forscher gehen davon aus, dass sich die “aegypti”-Form aus der “formosus”-Form entwickelt hat.
Sie sammelten Eier und Larven von verschiedenen Standorten und züchteten daraus im Labor insgesamt 29 Kolonien der beiden Unterarten. Durch Kreuzungsexperimente und DNA-Analysen suchten sie nach Genen, die für die Vorliebe für menschliche Wirte verantwortlich sind. Dazu prüften sie jeweils, ob sich die erzeugten genetisch unterschiedlichen weiblichen Nachkommen eher von Meerschweinchen oder von Menschen angezogen fühlten. Da die Mücken ihren Wirt über den Geruch finden, ermittelten die Biologen insbesondere die Aktivität von Genen der Sinneszellen in den Antennen, wo die Geruchswahrnehmung erfolgt. Dadurch identifizierten sie 14 Gene, die bei der auf Menschen spezialisierten Unterart aktiver waren als bei der anderen.
Besonders deutlich war der Unterschied für das Gen Or4, das die Produktion eines Rezeptorproteins steuert, welches auf Duftstoffe reagiert. Schließlich fanden die Forscher heraus, dass der Or4-Rezeptor die Mücke dazu befähigt, die Substanz Sulcaton – eine Komponente des menschlichen Körpergeruchs – zu erkennen. Allerdings reicht dieser Duftstoff allein nicht aus, um die Vorliebe der Stechmücken zu erklären. Denn mit Sulcaton besprühte Meerschweinchen wirkten nicht genauso attraktiv wie Menschen. Offenbar werden Menschen an einer Mischung mehrerer noch unbekannter Geruchsstoffe erkannt.
Die Ergebnisse zeigen, dass ein durch Mutationen veränderter Geruchssinn das Verhalten eines Insekts grundlegend beeinflussen und wahrscheinlich zur Entstehung neuer Arten beitragen kann. Im Fall der Aedes-Mücken hat sich auf diese Weise aus einer für Menschen ungefährlichen Art ein Überträger von mitunter tödlich verlaufenden Virusinfektionen wie Gelbfieber und Denguefieber entwickelt.