Schneesaison in den Alpen wird immer kürzer

Wacholdersträuche dienen als Klimaarchiv und liefern Daten zur Schneelage über mehrere Jahrhunderte
Suche nach Holzproben im Val Ventina
Suche nach Holzproben im Val Ventina
© Marco Carrer, TESAF, Universität Padua
Padua (Italien) - Etwas weiß und sehr viel grün – Diesen Winter leiden die Skigebiete in den Alpen unter akutem Schneemangel und geben ein trauriges Bild ab. Selbst für Kunstschnee aus Schneekanonen ist es oftmals zu warm. Zwar hat leichter Schneefall in den vergangenen Tagen die Lage etwas entspannt. Doch von weißen Winterlandschaften mit meterhohem Pulverschnee können Skifahrer derzeit nur träumen. Der aktuelle Mangel fügt sich in einen seit Jahrzehnten beobachteten Trend schrumpfender Schneemengen im Winter ein. Diese Entwicklung im Zuge des Klimawandels analysierten nun italienische und dänische Forscher genauer und berichten über ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Nature Climate Change“.

Für die jüngere Vergangenheit standen Marco Carrer von der Universität Padua und seinen Kollegen die Schneedaten von hunderten Messstationen über die gesamte Alpenregion zur Verfügung. Zwischen 1971 und 2019 nahmen die Schneehöhen um 8,4 Prozent pro Jahrzehnt ab. Parallel verkürzte sich die Dauer einer geschlossenen Schneedecke um 5,6 Prozent pro Jahrzehnt. Um diesen Trend – so offensichtlich es sein mag – eindeutig dem vom Menschen verursachten Klimawandel zuzuordnen, sind allerdings Schneedaten vor Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert nötig. Konkrete Messungen aus dieser Zeit sind allerdings kaum verfügbar. Eine Alternative fand die Arbeitsgruppe um Marco Carrer in den Jahresringen von Wacholdersträuchen.

Für ihre Analyse nutzten die Forscher Wacholderhölzer im Val Ventina in den italienischen Bernina-Alpen. Insgesamt 572 in mehr als 2000 Meter Höhe gesammelten Proben – sowohl von lebenden als auch von abgestorbenen Sträuchern – bildeten ein Schneearchiv für die vergangenen sechs Jahrhunderte. Dabei diente die Breite der einzelnen, nur Bruchteile eines Millimeters messenden Jahresringe als Maßstab für die Dauer der Schneeabdeckung. Denn die am Boden wachsenden Sträucher sind über viele Monate vom Schnee bedeckt. Ihr Wachstum und damit die Bildung der Jahresringe setzt immer erst nach der Schneeschmelze ein.

Aus diesen Jahresringen erkannten Marco Carrer und Kollegen, dass zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert eine geschlossene Schneedecke im Durchschnitt etwa 250 Tage pro Jahr andauerte. Danach verkürzte sich die Dauer der Schneeabdeckung bis heute – trotz Schwankungen in einzelnen Jahren – signifikant um 36 Tage im Vergleich zu den Jahrhunderten davor. „Dieser Rückgang ist beispiellos mit Blick auf die vergangenen sechs Jahrhunderte“, schreiben Carrer und Kollegen.

Mit ihrer Analyse der Jahresringe von Wacholdersträuchern fanden die Forscher einen klaren Zusammenhang zwischen verkürzter Schneeabdeckung und der Erdwärmung in den vergangenen Jahrzehnten. Sie fordern nun schnelle und wirksame Anpassungen an diesen anhaltenden Trend. Dabei haben sie allerdings nicht die Wintersportler im Blick, die nun immer häufiger zu Wanderschuhen anstelle von Ski und Snowboard greifen können. Viel wichtiger sind neue Strategien, um mit dem drohenden Wassermangel in den Alpen und angrenzenden Regionen leben zu können. Denn der Schnee der Alpen ist ein lebenswichtiger Wasserspeicher, der mit der Schneeschmelze im Frühling auch große Flüsse wie Danau, Rhein, Rhône und Po speist. Schrumpft dieser Wasserspeicher, beeinflusst der daraus folgende Wassermangel die Landwirtschaft und die dicht besiedelten Regionen rund um die Alpen. Der nahezu ausgetrocknete Po vergangenen Sommer zeigte bereits, wie dramatisch sich dieser Wassermangel auswirken kann.

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