Sauerstoffmangel im Tumor verursacht Metastasen

Das Wachstum von Blutgefäßen anzuregen und damit die Sauerstoffversorgung des Krebsgewebes zu verbessern, kann die Bildung von Tochtergeschwülsten verhindern
Strukturformel eines Sauerstoffmoleküls
Strukturformel eines Sauerstoffmoleküls
© Patrick Harrer / Creative Commons Lizenz CC BY-SA 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en
Basel (Schweiz) - Wenn sich Zellen von einem Tumor ablösen, können sie mit dem Blutstrom an andere Stellen des Körpers gelangen und dort neue Tumore bilden. Ein wichtiges Signal, das die Freisetzung von Tumorzellen auslöst, haben schweizerische Mediziner jetzt identifiziert: Demnach erhöht ein Sauerstoffmangel in Teilen des Primärtumors das Risiko einer Metastasenbildung, wie Tierversuche ergaben. Eine Therapie, die die Durchblutung des Tumors verstärkte und damit dessen Versorgung mit Sauerstoff verbesserte, förderte zwar das Tumorwachstum, unterdrückte aber die Entwicklung neuer Tumore, schreiben die Forscher im Fachblatt „Cell Reports“. Für einen klinischen Einsatz könnte möglicherweise eine Verstärkung der Durchblutung mit einer Chemotherapie kombiniert werden, die das Tumorwachstum hemmt.

„Es ist etwa so, wie wenn zu viele Menschen auf engstem Raum versammelt sind: Einige werden nach draußen an die frische Luft gehen“, sagt Nicola Aceto von der Universität Basel. Sein Forscherteam konnte mit einer speziellen Technik zeigen, dass es im Inneren von Brusttumoren mehrere, deutlich abgegrenzte Regionen mit einer geringeren Dichte von Blutgefäßen und niedriger Sauerstoffkonzentration gibt. In Experimenten mit Mäusen bildeten kleine Zellverbände, die sich aus solchen Tumoren ablösten, eher Metastasen, wenn sie biochemische Merkmale von Sauerstoffmangel zeigten und beibehielten. Dagegen hatten freigesetzte Tumorzellen, die ausreichend mit Sauerstoff versorgt waren, geringere Fähigkeiten zur Metastasenbildung. „Wenn wir dem Tumor genügend Sauerstoff geben, haben die Krebszellen keinen Grund, den Tumor zu verlassen und Metastasen zu bilden“, sagt Aceto.

Es gibt Krebstherapien, die die Bildung von Blutgefäßen unterdrücken (Antiangiogenese) und damit die Nährstoff- und Sauerstoffversorgung des Tumors verringern, um ihn dadurch auszuhungern. Den neuen Ergebnissen zufolge könnte diese Behandlung das Metastaserisiko erhöhen. Tatsächlich führte eine Antiangiogenese bei Mäusen zwar zum Schrumpfen des Primärtumors, verstärkte aber die Freisetzung im Blut zirkulierender, metastasebildender Krebszellen. Umgekehrt hatte eine Verstärkung des Wachstums von Blutgefäßen im Tumor den gegenteiligen Effekt und verlängerte die Überlebenszeit der Tiere. Der Nachteil einer verstärkten Durchblutung ließe sich eventuell dadurch ausgleichen, dass gleichzeitig ein Krebsmittel verabreicht wird, das dann besser wirksam wäre, schreiben die Autoren. Eine solche neue Form der Krebstherapie müsse allerdings an die individuellen Eigenschaften und die Lokalisation des jeweiligen Tumors angepasst werden.

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