Multiple Sklerose: Angeregte Stammzellen reparieren Schäden

Zwei für Hautkrankheiten zugelassene Medikamente aktivieren Selbstheilungskräfte bei Mäusen und in Kulturen menschlicher Zellen
Fortsätze von Oligodendrozyten (Mitte) bilden die Myelinscheide um Nervenfasern.
Fortsätze von Oligodendrozyten (Mitte) bilden die Myelinscheide um Nervenfasern.
© Case Western Reserve University; Illustrator: Megan Kern
Cleveland (USA) - Eigene Stammzellen könnten helfen, die bei Multipler Sklerose (MS) geschädigten Nervenzellen zu regenerieren. Wie der Draht eines Stromkabels von einer Kunststoffhülle umgeben ist, werden die Fortsätze gesunder Nervenzellen von einer sogenannten Myelinscheide umhüllt. Diese wird in Hirn und Rückenmark von speziellen Gliazellen gebildet. Die isolierende Schicht ermöglicht eine ungestörte Weiterleitung elektrischer Signale. Bei der MS zerstören Entzündungsprozesse einer fehlgeleiteten Immunreaktion die Myelinscheide und beeinträchtigen dadurch verschiedene Nervenfunktionen. Zur Behandlung der nicht heilbaren Krankheit werden derzeit entzündungshemmende Medikamente eingesetzt. Jetzt haben amerikanische Mediziner einen ganz neuen Therapieansatz an Mäusen und mit menschlichen Zellen erfolgreich getestet. Sie entdeckten zwei Wirkstoffe, die Stammzellen im zentralen Nervensystem so anregten, dass sie zerstörte Myelinscheiden regenerierten. Damit ist es in Tierversuchen gelungen, die Krankheitssymptome deutlich zu lindern, schreiben die Forscher im Fachjournal „Nature“.

„Unsere Strategie bestand darin, Wirkstoffe zu finden, die körpereigene Stammzellen dazu bringen, die bei der MS verloren gegangenen Zellen zu ersetzen“, sagt Paul Tesar von der Case Western Reserve University in Cleveland. Anstatt Gewebe zu transplantieren, das zuvor aus Stammzellen angezüchtet wurde, versuchte sein Forscherteam, die im erkrankten Nervengewebe bereits vorliegenden Stammzellen anzuregen, neues Myelin zu bilden. Dazu müssen sich die Stammzellen zu Oligodendrozyten – eine Art der Gliazellen – entwickeln, die dann geschädigte Myelinscheiden ausbessern können. Ziel der Forscher war es, diesen Regenerationsprozess zu verstärken. Mit Kulturen von Vorläuferzellen der Oligodendrozyten testeten sie die Wirkung von 727 zur Behandlung ganz verschiedener Krankheiten bereits zugelassener Medikamente.

Zwei Mittel erwiesen sich als besonders vielversprechend: das gegen Hautpilze wirksame Miconazol und Clobetasol, das zur Therapie entzündlicher Hauterkrankungen wie Neurodermitis und Schuppenflechte verwendet wird. Auch Mäuse mit einer MS-ähnlichen Erkrankung produzierten nach Injektion der Wirkstoffe verstärkt myelinbildende Oligodendrozyten und zeigten schwächere Krankheitssymptome. Kultivierte menschliche Vorläuferzellen reagierten ganz ähnlich wie Vorläuferzellen von Mäusen. Wie die Wirkung zustande kommt, ist noch nicht geklärt. Miconazol und Clobetasol können aus dem Blut in das Gehirn gelangen. Während Miconazol nur die Myelinbildung verstärkt, ohne die gestörte Immunfunktion zu beeinflussen, unterdrückt Clobetasol zusätzlich Reaktionen des Immunsystems.

Beide Mittel sind bei Menschen nur zur äußerlichen Behandlung der Haut zugelassen. Ob und in welcher Dosierung auch eine Verabreichung durch Injektion ohne bedenkliche Nebenwirkungen möglich ist, müssen weitere Untersuchungen erst noch prüfen. Solange es darüber noch keine Ergebnisse aus klinischen Studien gibt, sollten diese Medikamente auf keinen Fall zur Therapie der MS eingesetzt werden, warnt Tesar. Möglicherweise müssten die Wirkstoffe zunächst noch chemisch verändert werden, damit sie keine gesundheitlichen Schäden verursachen.

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