Magnetospirillum: Bakterium mit Magnetsinn ist „Mikrobe des Jahres“

Es sei auch für ihn immer noch faszinierend, unter dem Mikroskop „Magnetospirillen – magnetisch einheitlich ausgerichtet – umherflitzen zu sehen“, sagt Dirk Schüler von der Universität Bayreuth. Er hatte 1990 als Student an der Universität Greifswald im Schlamm eines kleinen Flusses ein neues, später als Magnetospirillum gryphiswaldense bezeichnetes Bakterium entdeckt. Es ist heute die genetisch am besten erforschte Art der magnetotaktischen Mikroben, die gar nicht so selten vorkommen und in Meer- und Süßwasser zu finden sind. Den meisten Biologen erschien es aber zunächst wenig glaubhaft, als 1963 Salvatore Bellini erstmals von Bakterien mit magnetischen Eigenschaften berichtete. Doch inzwischen sind mehrere Gattungen und Arten von Mikroben bekannt, die sich gerichtet im magnetischen Feld bewegen. Betrachtet man einen Schlammtropfen aus einem Teich oder Tümpel im Phasenkontrastmikroskop und hält einen Stabmagneten an eine Seite des Objektträgers, sammeln sich magnetotaktische Bakterien am Tropfenrand. Dreht man den Magneten um, schwimmen sie in die Gegenrichtung.
Magnetospirillen sind durch Geißeln bewegliche, schraubig gewundene Wasserbakterien. Sie nehmen große Mengen an Eisenionen auf und bilden daraus pro Zelle 15 bis 30 jeweils 45 Nanometer große Kristalle aus Magnetit (Fe3O4). Diese sind von einer Membran umgeben, über die sie als sogenannte Magnetosomen in gerader Kette und parallel zur Längsachse an die Proteine eines Zellskeletts angeheftet werden. Das verhindert, dass die Minimagnete durch gegenseitige Anziehung verklumpen. Stattdessen wirken sie zusammen als Stabmagnet, der sich und damit auch die Bakterienzelle parallel zu den Feldlinien des Erdmagnetfeldes ausrichtet. Die schräg nach unten gerichteten Feldlinien weisen ihnen den Weg in eine Zone mit ausreichend geringer Sauerstoffkonzentration.
„Unerwartet viele Gene sind an der Synthese und Anordnung der Magnetosomen beteiligt – eine der kompliziertesten Strukturen, die wir aus Bakterien kennen“, sagt Schüler. Inzwischen ist es sogar gelungen, die für den Aufbau der Magnetosomen notwendigen mehr als 30 Gene auf andere Bakterien zu übertragen und diese dadurch zu „magnetisieren“. Neben der Funktion als Kompass zur Orientierung im Raum könnten die Magnetosomen noch auf andere Weise für die Bakterien nützlich sein, etwa als „elektrochemische Batterie“ zur Energiegewinnung oder als Eisenspeicher. Mit der „Mikrobe des Jahres“ will die VAAM auf die Vielfalt der Mikroben und ihre bedeutsame Rolle für Ökologie, Gesundheit und Wirtschaft aufmerksam machen.