Lepra-Erreger: Seit tausend Jahren fast unverändert

Der spätere Rückgang an Lepraerkrankungen ab dem Mittelalter lässt sich nicht durch ein abgeschwächtes Infektionspotenzial der Bakterien erklären
Schädel von Jorgen 625, einem im Mittelalter verstorbenen Leprakranken aus Odense in Dänemark
Schädel von Jorgen 625, einem im Mittelalter verstorbenen Leprakranken aus Odense in Dänemark
© Ben Krause-Kyora
Tübingen - Bis ins Mittelalter war Lepra noch eine häufige Krankheit in Europa. Niemand weiß, warum sie im 16. Jahrhundert dort nahezu ganz verschwand. Eine mögliche Ursache dafür lässt sich jetzt ausschließen: Der Erreger, Mycobacterium leprae, hat sich in den vergangenen tausend Jahren genetisch kaum verändert, berichtet ein Team europäischer Forscher im Fachjournal „Science“. Sie fanden überraschend gut erhaltene DNA der Bakterien in Skeletten von Leprakranken aus dem Mittelalter. Ein Vergleich dieser DNA mit der DNA heutiger Erregerstämme ergab nur geringe Unterschiede. Das spricht dagegen, dass sich mit der Zeit das Infektionspotenzial der Leprabakterien verringert hat. Begünstigt durch eine konsequente Aussonderung der „Aussätzigen“ und andere Faktoren, haben demnach die Menschen wahrscheinlich eine Immunität gegen den Erreger entwickelt, vermuten die Autoren.

„Ich hätte nie gedacht, in einem menschlichen Knochen mehr DNA eines Krankheitserregers zu finden als menschliche DNA“, sagt Johannes Krause von der Universität Tübingen. Erstaunliche 40 Prozent der Gesamt-DNA vom Zahn einer leprakranken Frau, die vor 700 Jahren gestorben war, bestanden aus Erbmaterial von Mycobacterium leprae. Die im Vergleich zur menschlichen DNA sehr viel größere Stabilität der bakteriellen DNA beruht auf der ungewöhnlich dicken Zellwand der Mykobakterien, die zudem reich an Mykolsäure ist. Zusammen mit Forschern aus Schweden, Dänemark und der Schweiz untersuchten Krause und seine deutschen Kollegen Knochenproben von 22 Skeletten aus dem 10. bis 14. Jahrhundert, die Anzeichen einer Lepraerkrankung zeigten. Aus Knochen und Zähnen von fünf Skeletten konnten sie so viel gut erhaltene DNA isolieren, dass Sequenzanalysen möglich waren. Die Ergebnisse verglichen die Wissenschaftler mit Analysen der DNA von elf M. leprae-Stämmen, die aus heute lebenden Patienten stammten. Die geringen Unterschiede lieferten keine Hinweise auf eine abgeschwächte Virulenz der heutigen Erreger.

„Wenn die Ursache für den Rückgang der Lepraerkrankungen nicht in den Erregern zu finden ist, muss es am Wirt liegen, also an uns Menschen“, sagt Stewart Cole von der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne, einer der leitenden Mitglieder des Forscherteams. Wahrscheinlich hat sich der Mensch angepasst und die Fähigkeit entwickelt, Infektionen durch Leprabakterien besser abzuwehren. Mycobacterium leprae infiziert Zellen von Haut, Schleimhäuten und Nerven, was unbehandelt zu Lähmungen und Verstümmelungen führt. Heute erkranken jährlich weltweit noch immer etwa 225.000 Menschen, hauptsächlich in Afrika, Ostasien und Südamerika. Die Behandlung erfolgt durch Antibiotika, die mindestens zwei Jahre lang verabreicht werden müssen.

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