Kotkugel als Klimaanlage

Mistkäfer nutzt Verdunstungseffekt des feuchten Dungs, um in der südafrikanischen Sonne auch unterwegs kühl zu bleiben
Mit isolierenden Silikon-Schuhen steigt der südafrikanische Mistkäfer (Scarabaeus (Kheper) lamarcki) seltener auf seine Mistkugel.
Mit isolierenden Silikon-Schuhen steigt der südafrikanische Mistkäfer (Scarabaeus (Kheper) lamarcki) seltener auf seine Mistkugel.
© Wits University
Lund (Schweden)/Johannesburg (Südafrika) - Wenn die Bodentemperatur 60 Grad Celsius übersteigt, wird es auch Insekten zu heiß. Wüstenameisen kühlen sich dann ab, indem sie Grashalme emporklettern. Südafrikanische Mistkäfer aber haben eine ganz spezielle Form des Hitzeschutzes entwickelt: Sie nutzen frische Kotkugeln nicht nur als Transportform ihrer Nahrung, sondern auch als Klimaanlage, berichten schwedische und südafrikanische Biologen. Je heißer der Boden, desto häufiger unterbrechen sie die anstrengende Transportarbeit und klettern zur Kühlung auf die feuchte Kugel. Dabei kommt ihnen zum einen der Effekt der luftigen Höhe zugute. Zum anderen senkt die aus dem Dung verdunstende Feuchtigkeit die Temperatur zusätzlich. Das ungewöhnliche Verhalten lässt die Tiere zwar langsamer vorankommen, verhindert aber schwere Hitzeschäden, schreiben die Forscher im Fachblatt „Current Biology“.

„Die Evolution verfügt über eine erstaunliche Fähigkeit, existierende Strukturen für neue Zwecke nutzbar zu machen – in diesem Fall eine Nahrungsquelle zur Wärmeregulation einzusetzen“, sagt Jochen Smolka von der Lund University. In Zusammenarbeit mit Marcus Byrne von der University of the Witwatersrand in Johannesburg beobachteten Smolka und seine Kollegen das Verhalten des Mistkäfers Scarabaeus (Kheper) lamarcki bei der Nahrungsbeschaffung in der südafrikanischen Savanne. Finden die Tiere einen frisch abgesetzten Kothaufen, formen sie aus dem Dung Kugeln mit einem Durchmesser von 3-4 Zentimetern. Diese rollen sie dann weg, um die Nahrung vor Konkurrenten in Sicherheit zu bringen. Dabei fassen sie die Kugel mit den Hinterbeinen und gehen auf den Vorderbeinen rückwärts. Der Transport wird immer wieder dadurch unterbrochen, dass der Käfer auf die Kugel steigt, um sich zu orientieren. Jetzt konnten die Biologen nachweisen, dass dieses Verhalten noch einen ganz anderen Zweck hat.

Bei einer mittleren Bodentemperatur von 57 Grad Celsius erklommen die Käfer ihre Kugel während des Transports siebenmal häufiger als bei 51 Grad. Stieg die Temperatur auf über 60 Grad an, verbrachten die Insekten fast 70 Prozent der Zeit auf dem Kotball. Aufnahmen mit einer Wärmebildkamera zeigten, dass während der Rollphase die Temperatur der Vorderbeine um zehn Grad anstieg und beim Erklettern der Kugel wieder sank. Dagegen schwankte die Körpertemperatur der Brustregion nur wenig. Die Kotkugel war mit 32 Grad deutlich kühler als Boden und Käfer. Das erklären die Forscher damit, dass das Verdunsten von Feuchtigkeit aus dem Dung der Umgebung Wärme entzieht, was ein Abkühlen bewirkt. Die Vermutung, dass die Vorderbeine als Temperaturfühler dienen, die das Verhalten steuern, bestätigten die Biologen durch ein weiteres Experiment: Sie verpassten den Vorderbeinen Schuhe aus isolierendem Silikon und senkten so die Hitzempfindlichkeit der Tiere. Tatsächlich kletterten die Käfer dann 35 Prozent weniger häufig auf die Kugel und verbrachten doppelt so viel Zeit mit dem Wegrollen ihrer Beute.

Insgesamt ergaben sich für die Hitzeschutzwirkung der Kotkugel drei Ursachen: die Funktion als vom heißen Boden abgehobene Plattform, der Kühleffekt durch die Verdunstung sowie die Kühlung des Bodens beim Rollen. Der letztgenannte Punkt kommt deshalb zur Geltung, weil die Käfer die Kugel vor sich herstoßen, was den Boden, den sie selbst danach betreten, um 1,5 Grad abkühlt. Die Nutzung der Kotkugel als mobile Klimaanlage ist also eine wirksame Strategie eines kaltblütigen Tieres, seine Körpertemperatur zu regulieren und sich vor Hitzeschäden zu schützen. Sie ermöglicht es den Mistkäfern, so die Autoren, bei Temperaturen, die für andere Insekten unerträglich sind, weiterhin Nahrung zu beschaffen.

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