Klappe auf, Futter drin: Riesensalamander fressen anders
„Wir vermuten, dass solch eine biomechanische Verschiebung der Art und Weise, in der Sog erzeugt wird, eine Schlüssel-Innovation beim Übergang vom Fisch zum Vierbeiner sein kann“, schreiben Egon Heiss und Kollegen von den Universitäten Antwerpen, Wien und Gent. Denn wenn – in Kurzfassung – der Mundboden samt Muskeln nicht am Saugvorgang beteiligt sein muss, kann sich evolutionär eine Zunge ausbilden, ohne dass das Beutefangen leidet. Die Forscher waren überrascht von ihrem Ergebnis, denn von außen ist kaum zu erkennen, dass das Futtersaugen oder Saugfressen der Chinesischen Riesensalamander anders vor sich geht als bei vielen anderen Wassertieren. Ursprünglich wollten sie nur das Zusammenspiel von Kieferbewegung, Kopfaufbau und dem Flüssigkeitsstrom darin untersuchen. Denn was bei Fischen gut untersucht ist, war bei Salamandern und Molchen bislang recht unklar.
Im nassen Element bietet es sich an, die Beute samt umgebendem Wasser komplett ins Maul zu ziehen. Das Wasser drücken Fische über ihre Kiemenspalten wieder nach außen, wie es auch junge Amphibien im Larvenstadium noch tun. Doch bei erwachsenen Amphibien vieler Arten verkümmert der Kiemenapparat, das Wasser muss auf anderem Wege wieder hinaus – der ganze Vorgang läuft quasi in zwei Schritten ab, bidirektional. Dies wollten Heiss und Kollegen an einer der größten Amphibienarten näher betrachten. Doch sie stellten fest, dass der Chinesische Wassersalamander seine Saug-Schluck-Technik offenbar weiter entwickelt hat. Denn die meisten Amphibien und auch Fische setzen beim Saugfressen den Bereich des Mundbodens mit ein, den sogenannten Hyobranchial-Apparat. Mit Hilfe von Muskeln vergrößern sie so blitzartig Mundraum und Kehle, um mehr Raum zu schaffen. Der dabei entstehende Unterdruck zieht Wasser und Inhalt schnell nach innen.
Doch der Chinesische Wassersalamander verzichtet auf die Unterstützung seines Hyobranchial-Apparats. Zwar bewegt sich auch seine Kehle beim Saugfressen nach außen, doch die Forscher konnten mit Hochgeschwindigkeits-Videos nachweisen: Diese Bewegung setzt erst ein, nachdem das erste Wasserpaket samt Beute das Maul bereits erreicht hat. Dessen Bewegung ins Innere beginnt wenige Millisekunden, nachdem der Riesensalamander mit dem Kieferaufklappen beginnt. Auch die Computersimulationen und Analysen eines 3D-Modells des Kopfes bestätigten, dass allein Ober- und Unterkiefer beim explosiven Auseinanderziehen den nötigen Unterdruck entwickeln. Vermutlich entsteht die erkennbare Bewegung von Mundboden und Kehle also als Reaktion des Wassers, das dort innen auftrifft. Der Riesensalamander verfügt über starke Kopf- und Halsmuskeln, die ein kraftvolles und blitzschnelles Kieferöffnen möglich machen, unterstützt durch eine passende Kopfbewegung.
Der chinesische Riesensalamander ist eine archaische, seit frühen Zeiten der Evolution wenig veränderte Amphibienart und kann bis zu 180 Zentimeter lang werden. Sein flacher, großer Kopf mit winzigen Augen und sein ebenso plumper, graubrauner Körper verleihen ihm ein urtümliches Aussehen. Er lebt in klaren, kalten Bächen und Flüssen Chinas und frisst Fische, Krebse, andere Amphibien. Nächster Verwandter unter den heutigen Schwanzlurchen und ebenfalls streng geschützt ist der Japanische Riesensalamander (Andrias japonicus) – beide unterscheiden sich deutlich von anderen wasserlebenden Salamandern.
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