Grippekranke Fettleibige setzen verstärkt Viren frei

Bei stark Übergewichtigen dauert es länger, bis in Nase und Rachen keine Influenzaerreger mehr nachweisbar sind, so dass möglicherweise mehr Kontaktpersonen angesteckt werden könnten
Fettleibigkeit vergrößert wahrscheinlich das Ansteckungsrisiko bei Grippe.
Fettleibigkeit vergrößert wahrscheinlich das Ansteckungsrisiko bei Grippe.
© OpenClipart-Vectors / pixabay.com, CC0 1.0 Universell (CC0 1.0), https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de
Ann Arbor (USA) - Fettleibige Menschen leiden zum einen stärker unter einer Grippeinfektion als Normalgewichtige. Zum anderen setzen erwachsene Fettleibige aber auch über einen längeren Zeitraum Influenzaviren aus den Schleimhäuten der Atemwege frei, wie amerikanische Mediziner jetzt berichten. Wenn es sich bestätigt, dass es sich dabei um intakte, infektiöse Viren handelt, könnte diese Personengruppe mehr als andere zur Ausbreitung einer Grippeepidemie beitragen, schreiben die Forscher im „Journal of Infectious Diseases“. Sie vermuten, dass die mit starkem Übergewicht verbundenen chronischen Entzündungen das Immunsystem schwächen und dadurch die Dauer der Infektion verlängern.

„Das ist der erste reale Hinweis darauf, dass Fettleibigkeit mehr als nur die Schwere des Krankheitsverlaufs beeinflussen könnte“, sagt Aubree Gordon von der University of Michigan in Ann Arbor. „Sie könnte auch die Übertragung der Erreger beschleunigen.“ An ihrer Studie waren knapp 1800 Personen aus Managua, der Hauptstadt Nicaraguas, beteiligt. Unter den 0- bis 4-Jährigen gab es 2 Prozent Fettleibige, bei den 5- bis 17-Jährigen waren es 9 Prozent und bei den Erwachsenen 42 Prozent. Während dreier Grippeperioden von 2015 bis 2017 diagnostizierten die Forscher sämtliche Fälle von Grippeerkrankungen mit Hilfe molekularbiologischer Methoden. Durch Erregernachweise mittels Nasen- und Rachenabstrichen ermittelten sie den jeweiligen Typ des Influenzavirus und stellten fest, wie lange nach Beginn der Infektion die Viren in den Proben noch nachweisbar waren.

Bei den fettleibigen Erwachsenen mit ausgeprägten Krankheitssymptomen war die Zeitspanne der Vermehrung und Freisetzung von Influenza A-Viren um 42 Prozent länger als bei Normalgewichtigen. Waren die Grippesymptome nur schwach, stieg dieser Wert auf 104 Prozent. Für Influenza B-Viren ergab sich merkwürdigerweise kein solcher Zusammenhang. Auch bei Kindern hatte das Körpergewicht keinen Einfluss auf die Virenproduktion. Das wäre dadurch erklärbar, dass sich bei Fettleibigkeit das Ausmaß chronischer Entzündungen im Körper mit zunehmendem Alter verstärkt und erst dann das Immunsystem schädigt, vermuten die Mediziner. Ob die in Abstrichen nach ein bis zwei Wochen vorhandenen Viren auch infektiös sind, müsste noch überprüft werden.

Im Interesse der öffentlichen Gesundheit sollten nun neue Strategien gegen Grippeinfektionen von Fettleibigen entwickelt werden, schreibt Stacey Schultz-Cherry vom St. Jude Children's Research Hospital in Memphis in einem begleitenden Kommentar. Ein universeller Grippeimpfstoff könnte dabei hilfreich sein. Man müsse aber berücksichtigen, dass Impfungen bei Fettleibigen oft nur eine vergleichsweise schwache Schutzwirkung haben. Zudem wäre es interessant zu wissen, so Schultz-Cherry, ob bei Fettleibigen auch das Übertragungsrisiko für andere Erreger von Atemwegsinfektionen steigt.

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