Wirkstoffe stärken Immunabwehr alter Menschen

Der kombinierte Einsatz zweier Hemmstoffe eines Signalweges senkt die Anfälligkeit für Infektionen im Alter
Wegen ihres schwächeren Immunsystems leiden alte Menschen stärker unter Atemwegsinfektionen als jüngere.
Wegen ihres schwächeren Immunsystems leiden alte Menschen stärker unter Atemwegsinfektionen als jüngere.
© United States Centers for Desease Control and Prevention / public domain
Cambridge (USA) - Schwere Infektionen der Atemwege wie Grippe und Lungenentzündung sind lebensbedrohliche Erkrankungen – insbesondere für alte Menschen. Ihr geschwächtes Immunsystem ist nicht mehr in der Lage, die meist viralen Erreger so effektiv wie in jüngeren Jahren abzuwehren. Versuche mit Mäusen haben gezeigt, dass die Hemmung eines bestimmten biochemischen Signalweges die Immunabwehr stärkt und die Lebensdauer der Tiere verlängert. Jetzt haben amerikanische Forscher in einer klinischen Studie mit über 65-Jährigen zwei Wirkstoffe getestet, die einen Bestandteil dieses Signalweges, das Enzym mTOR, auf verschiedene Weise blockieren. Bei gleichzeitigem Einsatz verringerten diese Hemmstoffe die Anfälligkeit für Infektionen und verbesserten die Abwehr von Grippeviren, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Science Translational Medicine“. Nach Abschluss der Behandlung hielt die Schutzwirkung noch mindestens ein Jahr an.

„Therapien, die die Immunfunktion verstärken, könnten vielfältige gesundheitsfördernde Auswirkungen bei älteren Menschen haben“, schreiben die Forscher um Joan Mannick von den Novartis Institutes for Biomedical Research in Cambridge. Vielversprechend wären Medikamente, die einen Signalweg beeinflussen, an dem das Enzym mTOR beteiligt ist. Diese Proteinkinase wird bereits in der Krebstherapie als Angriffspunkt genutzt, da sie unter anderem das Zellwachstum reguliert. mTOR kommt allerdings in zwei Proteinkomplexen mit unterschiedlichen Funktionen vor. Für ihre Studie setzten die Forscher zwei Hemmstoffe ein (BEZ235 und RAD001), die sich nur auf den TORC1-Komplex auswirken und die Signalfunktion des TORC2-Komplexes nicht verändern. Dadurch, und weil sie Dosierungen wählten, die 3- bis 120-fach geringer waren als bei einer Krebstherapie, kam es zu weniger Nebenwirkungen.

An der placebokontrollierten Doppelblindstudie nahmen 264 Menschen teil, die älter als 65 Jahre waren. Mehrere Gruppen wurden sechs Wochen lang täglich entweder mit nur einem der Wirkstoffe, mit beiden oder mit einem Placebo behandelt. Den Effekt auf das Immunsystem ermittelten die Wissenschaftler auf zweierlei Weise: Zum einen registrierten sie die Antikörperbildung nach dem Impfen mit einem Grippeimpfstoff aus drei Typen von Influenzaviren. Zum anderen berichteten die Testpersonen ein Jahr lang, wie oft sie an einer Infektion – gleich welcher Art – erkrankten.

Der kombinierte Einsatz beider Hemmstoffe zeigte die stärkste Wirkung. Nach dieser Behandlung löste die Impfung die stärkste Immunantwort in Form einer hohen Antikörperproduktion aus. Zudem lag die Zahl der erlittenen Infektionen mit durchschnittlich 1,5 pro Person und Jahr deutlich unter dem für die Placebogruppe erhaltenen Wert von 2,4. Die meisten Infektionen betrafen die Atemwege und beruhten auf Viren. Erste Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Hemmstoffe indirekt die Aktivität bestimmter Gene ankurbelten, die bei der Abwehr von Viren eine Rolle spielen. Der genaue Wirkmechanismus ist noch nicht aufgeklärt.

Die Forscher waren überrascht, dass sich eine sechswöchige Behandlung über einen so langen Zeitraum von einem Jahr positiv auswirkte. Wie lange der immunstimulierende Effekt tatsächlich anhält, soll noch untersucht werden. Die beobachtete Abnahme der Infektionsrate sei klinisch relevant, so die Autoren. In Anbetracht von mehreren hundert Virustypen, die Atemwegsinfektionen auslösen können, sei eine generelle Aktivierung der Immunabwehr wirkungsvoller als Medikamente gegen einzelne Virustypen. Außerdem habe ein gestärktes Immunsystem auch positive Auswirkungen auf andere Aspekte der Gesundheit, da es die Widerstandskraft gegen Krebs und altersbedingte Organschäden erhöht.

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